Album-Tipp: „Loveless“ (1991) von My Bloody Valentine

Cover Loveless My Bloody Valentine
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  • Beitrag zuletzt geändert am:18. Mai 2021
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Es gilt als eines der besten und einflussreichsten Alben der 90er und als das „Shoegaze“-Album schlechthin.

Text: Arian Hagen

Inhalt

 

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Kurze Beschreibung und Fakten zur Entstehung

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„Loveless“ ist My Bloody Valentine zweites Album und erschien im November 1991. Es gilt als eines der besten und einflussreichsten Alben der 90er und als das „Shoegaze“-Album schlechthin.

Nachdem ihr Debütalbum „Isn’t Anything“ zwar bereits stellenweise die Vorliebe der Band für Noise-Elemente und eine verträumte und verwaschene Klangästhetik, die man heute als „Dream-Pop“ bezeichnen würde, andeutete, konnte wohl kaum jemand mit dem einzigartigen Klangerlebnis rechnen, das My Bloody Valentine mit „Loveless“ produzierten. Es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass dieses Album klingt wie kein anderes. Vor allem nicht im Erscheinungsjahr. Der Weg zu dem spezifischen Klang von Loveless war lang. Die Band nahm für das Album insgesamt in 19 Studios Material auf und verursachte dabei Produktionskosten von rund 250.000 £, die das Label Creation Records kaum stemmen konnte.

Der Schlagzeuger Colm Ó Cíosóig fühlte sich nach einem Nervenzusammenbruch nicht in der Lage auf dem Album durchgehend zu spielen, so dass die meisten seiner Parts für das Album gelooped wurden. Der Gitarrist und Sänger, Kevin Shields, der hauptsächlich für die Klangästhetik verantwortlich war, legte großen Wert auf die Texte der Lieder, so dass die Band überraschenderweise die längste Dauer der Produktionszeit damit verbrachte, diese zu schreiben. Überraschend deshalb, weil man die Texte zum größten Teil durch die experimentelle Produktion der Lieder gar nicht versteht.

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Die Klangwelt

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Einzelne Zeilen der ruhigen Stimmen von Kevin Shields und Sängerin und Gitarristin Bilinda Butcher leuchten durch die verschwommenen Schichten von verschiedensten E-Gitarren-Klängen, Schlagzeugloops und Bassmelodien. Einige Momente des Albums klingen synthetisch, aber tatsächlich erzeugte die Band die verschiedensten Klänge mit ihren Gitarren. Das können dumpfe, verzerrte Akkorde sein, die gleichzeitig den Grip von Nirvanas „Lithium“-Riff nah kommen und trotzdem angenehm weich klingen. An anderen Stellen sind es hohe, kreischende Melodien oder verhallte Texturen voller Distortion. Das Schlagzeug klingt präzise und druckvoll. Die Bassmelodien warm und rund. Das Abwechseln der männlichen und weiblichen Stimmen von Shields und Butcher sorgt für zusätzliche Varianz.

Alle die interessanten Klänge und Produktionstechniken sind einzigartig, doch im Kern beinhaltet jeder Titel ein starkes Rocklied. Das ist meiner Meinung nach der Grund für die Langlebigkeit des Albums. Es ist die Schönheit im Chaos. Die Arbeit, die My Bloody Valentine in das Songwriting des Albums steckte, hat sich ausgezahlt. Beim Kennenlernen des Albums war es der besondere Klang, der mich begeisterte und herausforderte. Stück für Stück entpackten sich immer mehr tolle Melodien, Akkordfolgen und Textzeilen, die durch das Chaos von Klängen schimmerten.

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Gleichzeitig ist es ein sehr einheitliches Gesamtkunstwerk. Es ist schwierig, von Höhepunkten zu sprechen, aber der Introtrack „Only Shallow“, „When You Sleep“, „I Only Said“ und „Soon“ sind gute Beispiele für die Qualität von „Loveless“. Das Album hat Einflüsse vom zeitgenössischen Grunge, die sich in den Riffs und Melodien widerspiegeln. Die variierenden Männer- und Frauenstimmen über verträumte, stetige Begleitung der Band erinnert an die weniger bluesigen Momenten von The Velvet Underground & Nico. Die Wellen von Hall und Klängen an Phil Spectors „Wall Of Sound“ der 1960er.

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Wirkung und Einfluss

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Die Gesamtatmosphäre von „Loveless“ ist entspannt und „vernebelt“. Es kann durchaus als düster wahrgenommen werden, die Melodien sind jedoch freundlich und beruhigend. Dennoch ist es keine Musik zum Nebenbeihören. Der Klangeindruck und die Energie der Lieder ist zu einnehmend dafür. Es ist eher ein Album, das man mit Kopfhörern hört, wenn man sich auf Musik wirklich einlassen möchte und nach immer neuen Melodien und Klängen suchen möchte. „Loveless“ passt sicher perfekt zu einer langen Autofahrt bei Nacht, wenn man im Halbschlaf auf dem Rücksitz den Kopf gegen die Fensterscheibe gelehnt hat. Oder beim Warten auf einem fernen Flughafen mit subtilen Jet-Lag. Diese Stimmung passte auch perfekt in Sofia Coppola’s „Lost In Translation“, in dem das Lied „Sometimes“ Verwendung fand.

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Es ist Musik für Momente, in denen man allein und nachdenklich ist, während um einen herum Hektik herrscht. Und genau so klingen auch die ruhigen Gesangspassagen im hektischen Gitarrenstrom des Albums. Nun, 28 Jahre später, klingt „Loveless“ immer noch futuristisch. Die Band beeinflusste eine ganze Szene von Shoegaze-Musiker_innen. Der Name des Stils soll die introvertierten Musiker_innen beschreiben, die während Konzerten häufig auf ihre eigenen Füße starrten. Doch kein einzelnes Album funktioniert besser als Zusammenfassung für den Stil. Auch heute in Zeiten von unendlich vielen Dream Pop Bands, „Chillout“-Playlisten und verträumten Chill-Beats wird der Einfluss von Alben wie „Loveless“ oder Künstlern wie Boards of Canada oder Brian Eno auf die heutige Musiklandschaft immer deutlicher.

Oneohtrix Point Never, einer der innovativsten Produzenten und Pionier des Vaporwave-Stils, bezeichnete 2011 „Loveless“ in einem Interview mit RBMA als sein Lieblingsalbum. Kevin Shields veröffentlichte in den letzten Jahren mehrere Tracks mit Brian Eno und kündigte ein weiteres My Bloody Valentine Album an. 2013 veröffentlichte die Band nach 22 Jahren ihr drittes Album „mbv“ – ein solider Nachfolger, der jedoch dem vertrauten Stil der Band folgt und neben „Loveless“ weniger innovativ und rund wirkt. „Loveless“ bleibt ein Klassiker, den ich jedem/jeder Musikinteressierten empfehlen kann. Es ist ein Klangerlebnis wie kein anderes.

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Ein weiteres Album, das ich dir ans Herz legen möchte, ist „Dead Magic“ (2018) von Anna von Hausswolff.

Arian

Ich komponiere und produziere seit meinem 15. Lebensjahr eigene Musik und verbinde in dieser gerne Live-Instrumente mit atmosphärischen, elektronischen Elementen. Seitdem geht das Musikmachen und -hören bei mir einher und ich bin genauso Künstler wie Musikliebhaber jedes Genres. Meine Lieblingsmusik ist innovativ, emotional und auf technischer Ebene beeindruckend. Zur Zeit studiere ich Musikwissenschaft im Master und gebe nebenbei privat Musikunterricht. Neben Musik sind Filme, Psychologie und Philosophie große Interessengebiete von mir.

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