Ihre Stimme legt aber Abgründe frei, die tiefer schürfen als die übliche Singer/Songwriter Melancholie.
Folk aus Neuseeland
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Text: Maria Preuß | Foto: Pressefoto
Aldous Harding ist eine dieser Spotify-Entdeckungen. Oft läuft „Mein Mix der Woche“, der mir unbekannte Musik vorstellt, recht unbemerkt im Hintergrund. Aber als ich die erste Note von Hardings Gesang vernahm, hab´ ich alles fallen gelassen (hatte keinen Hamster in der Hand, von daher Glück gehabt). Eigentlich ist das ganz profaner Folk, was die Neuseeländerin da komponiert hat. Ihre Stimme legt aber Abgründe frei, die tiefer schürfen als die übliche Singer/Songwriter Melancholie.
Sofort angefixt, hab ich mir alles auf Youtube angesehen, bei dem Harding zumindest ein Mal durch den Hintergrund läuft. Mein Fazit: Abgründe sind untertrieben! In ihren Live-Performances singt Harding als würde sie mit Geistern sprechen. Sie starrt ins Nichts, sie verdreht die Augen und verharrt in angespannten Posen. In Interviews verunsichert sie alle Anwesenden. Vielleicht, weil sie schön und talentiert ist, vielleicht weil sie sich sehr viel Zeit für Antworten nimmt, aber vielleicht auch, weil sie eiskalte Blicke verteilt.
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Diese faszinierend verstörende Wirkung nutzt sie im Video zu „Horizon“. Mit blasser Haut und fettigen Haaren tritt sie als vampirähnliche Gestalt auf, die verbissen und besessen in die Kamera stiert. Ihre Stimme übertritt von Zeit zu Zeit die Grenze von „interessant“ zu „anstrengend“, sie zieht Grimassen und posiert mit buckligem Rücken. Sie macht es niemandem leicht, sie attraktiv oder sympathisch zu finden.
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Diese ästhetische Herausforderung bewundere ich. Diesem Mut zur Hässlichkeit, zur Anti-Weiblichkeit und zum Missachten der Norm, als Singer/Songwriterin weich und freundlich sein zu müssen, applaudiere ich. Harding bricht mit Klischees und erweitert so (Vorsicht, lahmer Wortwitz) unseren Horizont.
Im Dunkeln begegnen möchte ich Aldous Harding allerdings nicht. Doch genau das ist ihr Mehrwert: Es sind normalerweise die Männer, die Angst machen und Frauen diejenigen, die Angst haben. Bei Aldous Harding ist es genau andersrum.
Diskographie:
2017 Party
2014 Aldous Harding
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