Auch wenn Vieles gefühlt immer schlechter wird und Musik von dieser Einschätzung häufig nicht verschont wird („Das ist ja gar keine richtige Musik mehr!“), hatte ich trotzdem auch dieses Jahr einige musikalische Highlights. Darunter Konzerte, Festivals, Neuerscheinungen und berührende Begegnungen.
Text: Maria Preuß
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Feist – Pleasure (April 2017) und Konzert am 24.07.2017 im Tempodrom
Feist hat einen festen Platz in meinem Herzen. Die Entwicklung vom Gute-Laune-Indie-Sternchen zur viel respektierten Musikerin bereitet mir einfach Freude zu verfolgen. Außerdem hält ihr neues Album „Pleasure“ einige unerwartete Wendungen bereit und ihr Konzert am 24. Juli 2017 im Berliner Tempodrom war so eine Glanzleistung, dass Feist ganz klar zu meinen musikalischen Favoritinnen in diesem Jahr gehört. Da ich im Konzertbericht schon kräftig ausgeholt habe, bleibt dieser Teil hier kurz.
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Angel Olsen – Phases (November 2017)
Achja, die Angel. Da hat sie gerade letztes Jahr erst ein außerordentlich gelungenes Album („My Woman“) herausgebracht (und großartig betourt, siehe Konzertbericht) und legt ein Jahr später direkt das nächste Knüller-Album nach. Mit den ersten simplen Akkordschlägen des ersten Tracks „Fly On Your Wall“ wird schon klar, dass da was durch und durch Schlüssiges zu hören sein wird. Ein paar Bassnoten, Angels monoton-klagender Gesang, ein paar Synthies, die zum Ende den akustischen Raum weiten und ein verlässlich guter Song steht. Generell ein eher kurzweiliges Album (insgesamt nur 39 Minuten) mit nahezu beschwingten Nummern wie „Californa“, in die sich sogar ein paar fröhlich anmutende „Doo do doo“s eingeschlichen haben.
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Lorde – Melodrama (Juni 2017)
Ja, auch ich höre mal in eine Chart-Platte rein. Es soll wohl Menschen geben, die von den Klavierakkorden in der ersten Single-Auskopplung „Green Light“ zu Tode gelangweilt waren, so vorhersehbar seien diese. Mich haben sie trotzdem gepackt und mitgerissen. In Kombination mit Lordes für Pop-Verhältnisse wahnsinnig ungewöhnliche Stimme kann ich mich gegen die Catchiness des Liedes nicht wehren. Ich hab Bock zu tanzen oder in einen Kampf zu ziehen oder am besten tanzend in einen Kampf zu ziehen. Der Rest des Albums funktioniert für mich auf ähnliche Weise: Klare Pop-Strukturen, nicht zu abstrakte Themen gepaart mit einer markanten Stimme sind eingänglich und interessant zugleich. Kann ich mir gut beim Küche putzen anhören und das muss ja schließlich auch ab und an getan werden!
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Lucy Rose – Something’s Changing (Juli 2017) und Konzert am 28.09.2017 im silent green
Das, was Lorde mit ihrer tiefen Stimme ausgleichen kann, wird mit Lucy Rose’s lieblicher Mädchenstimme schnell zu beliebig. Viele nette Melodien von einer netten Stimme gesungen – nicht alle Lieder des Albums „Something Changing“ sind 100%ig mein Fall. Aber da Lucy Rose das vermutlich größte und reinste Herz der britischen Musiklandschaft hat, muss auch sie auf diese Liste! Highlight ihres Schaffens sind vielleicht weniger innovative Kompositionen, als vielmehr eine wundervolle Art diese mit der Welt zu teilen. Denn was bringen die abgefahrensten, avantgardistischsten Lieder, wenn sie entweder niemand versteht oder niemanden erreichen. Lucy Rose tourt auch durch die absatzschwachen Märkte, tritt für umme auf, trifft ihre Fans und kann dadurch mitunter Leben verändern. Wie genau, könnt ihr in meinem Bericht über ihre Tour durch Süd-Amerika nachlesen.
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Girls in Airports – Alínæ Lumr Festival August 2017
Die paar wenigen Männer auf dieser Liste verstecken sich hinter ihrem Bandnamen. Ob sich die Dänen wie Mädchen in Flughafen fühlen oder ob sie sich von solchen inspirieren lassen, konnte ich bis dato nicht verifizieren. Dass eine Menge Aufregung, Neugier und Entdeckungslust, die auf solchen Flughäfen herrscht in ihrer Musik stecken, schon. Zwei Bläser, zwei Drums und Keyboard erforschen Klangteppiche, erkunden Tonräume und untersuchen Rhythmen in hypnotisch jazzigen Instrumentalstücken. Beim Alínaæ Lumr Festival in Storkow hatte die Band ihr Publikum zu Füßen sitzen, wartend (fast wie auf einem Flughafen) auf die nächste musikalische Erleuchtung. Für mich eines der Highlights des eh wundervollen Alínæ Lumr Festivals. Ein neues (Live-)Album der Girls in Airports erschien auch dieses Jahr.
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King Krule – The Ooz
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber Lücken und Auslassungen berühren mich mehr, als das Anwesende. Nehmen wir den Anfang von King Krules „Czech One“ zum Beispiel. Ist da eine Melodie? Ist da ein Beat? Nicht ganz klar. Umso mehr ist Platz für die Antizipation des nächsten Tones, mehr Zeit und Raum Spannung aufzubauen, die kaum auszuhalten ist. Dazu britischer Akzent und eine Attitüde, die nach „Ok, dann sing ich jetzt hier eben was, aber ich bin krass angepisst“ klingt. Das Verwischen aller Genregrenzen (HipHop, Jazz, Rock) ist schon beeindruckend genug. Die absolute Verblüffung gibt es aber beim Schauen der Videos: Archy Marshall (wie der Junge eigentlich heißt) ist gerade mal 24 Jahre alt, klingt wie ein gestandener Mann und sieht aus wie ein 14jähriger Bengel, der im Mathe-Unterricht nicht still sitzen kann. Ich hab gehört, ich bin mit dem Hype ein bisschen spät dran. Um nachzuholen, hype ich dafür jetzt eben umso mehr.
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Isaac Vallentin
Isaac Vallentin ist eigentlich meine liebste Musik-Entdeckung aus diesem Jahr. Weil sie auf einer Open Stage in Kreuzberg begann und in einer versifften Bar in Friedrichshain endete. Das Album „Hedera“ ist zwar schon 2015 erschienen, aber ich durfte Isaac in diesem Jahr kennen lernen und zwar bei besagter Open Stage. Er spielte akustische, mit Gitarre begleitete Versionen seiner Indie Songs und war dank Kuschelpulli und lakonischem Witz sofort als Kanadier zu identifizieren. Nach Ende der Live Auftritte bin ich mit ihm in’s Gespräch gekommen, eins führte zum anderen, es entwickelte sich eine nicht aufzuhaltende Bromance zwischen ihm und meiner Begleitung, wir tranken Bier mit einem anderen Open Stage Act, der pathethisch Radiohead Songs coverte und ich erinnere mich nur noch an eine Fahrt in der U1, während der Isaac erzählte, er kenne die Jungs von Do Make Say Think. Irgendwann waren wir in einer dieser Friedrichshainer Bars, in der es keine richtige Einrichtung gibt und 10 Shots nur 2 Euro kosten. Isaac und ich haben uns nie, wie abgemacht, zum gemeinsamen Musik machen getroffen. Geblieben ist sein Album, das ich auf Bandcamp höre und das auch schön ist, wenn man dabei nicht an eine random Berliner Nacht erinnert wird.
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Lean Year – Lean Year (Oktober 2017)
Auch dieses Jahr entdeckt: Die Band um Emilie Rex und Rick Alverson. Vor allem von „Come and See“ kann ich nicht genug bekommen. Die doppelte Stimme, die traurig und tröstend zugleich klingt, zusammen mit dem schwerfälligen Rhythmus, hat etwas Meditatives. Der Rest des selbstbetitelten Albums ist ähnlich: Melancholie getragen von Emilie Rex‘ Stimme, die klingt, wie Transparentpapier aussieht. Vielleicht nicht zu viel an grauen, dunklen Wintertagen hören. Es sei denn ihr trinkt dabei heiße Schokolade.
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Grouper – Children
Das musikalische Projekt von Liz Harris besteht schon seit einer Weile, ihr letztes Album „Ruins“ erschien 2014. Einen Track, der er es nicht auf’s Album geschafft hat, veröffentlichte sie dieses Jahr: „Children“. Sehr im Stile von „Ruins“ klingt „Children“ fast instrumental. Zu langsamen Klaviertönen gesellt sich sphärischer Gesang, dessen Worte kaum verständlich sind. Für mich klingt das, als hätte sich Liz Harris an einem Winterabend in eine verlassene Kirche an ein Klavier gesetzt, um der Stille ein Lied zu spielen. Bis es ein neues Album von Grouper gibt, versüße ich mir das Warten mit dem Durchforsten ihrer kompletten Diskographie.
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Cat Power
Meistens höre ich nicht die aktuellste Musik. Um euch nicht mit altbekannten Klassikern zu langweilen, finden diese in meinem musikalischen Jahresrückblick keine Erwähnung. Bei Cat Power muss ich aber eine Ausnahme machen, weil alles andere eine dreiste Lüge wäre. „King Rides By“ aus dem Jahre 1996 habe ich dieses Jahr gefühlt ein Mal pro Tag gehört. Und damit ist Cat Power aka Charlyn Marshall meine Musikerin des Jahres 2017. Die Veröffentlichung ihres letzten Albums „Sun“ liegt nun schon eine Weile zurück (2012) und auch das Album „The Greatest“, für das sie die meisten kennen, ist über zehn Jahre alt. Aber Cat Powers musikalisches Werk ist so groß und vor allem so divers, dass man auch heute noch etliches entdecken kann. Besonders ihre grungigen ’90er Jahre Teenage Angst Alben höre ich rauf und runter. Fans von leiernden E-Gitarren ist „What Would The Community Think“ (1996) wärmstens empfohlen.
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Und nun entschuldigt mich, ich schmeiß Lordes Melodrama an, putz‘ die Küche und tanze dann in’s neue Jahr, gebannt, was dieses musikalisch zu bieten haben wird.