Konzert am 26. September 2016 im Admiralspalast
Text und Fotos: Maria Preuß
Vor ein paar Tagen habe ich Helgi Jonssons Konzert angekündigt und war sehr gespannt, ob er sich auf seinem Konzert ähnlich präsentieren wird, wie auf seinen Sozialen Netzwerkkanälen: glücklich mit seiner Frau, der berühmten dänischen Sängerin Tina Dico und naturverbunden und gefühlvoll.
Der isländische Musiker und Sänger ist seit einigen Jahren aktiv, hat früher vor allem als Posaunist auf Alben von Bands wie Sigur Rós mitgewirkt und als Musiker Tina Dico auf ihren Touren begleitet. Sein neues Album „Vængjatak“ (Flügelschlag) ist nun seit langem mal wieder ein ganz eigenständiges Soloprojekt. Geschrieben hat er seine Lieder an einem Flügel, das in seinem Haus in Island steht, am Fenster mit Blick auf’s Meer, wie er beim Konzert verriet. Die isländische Landschaft hat ja schon andere Künstler_innen zu einiger schöner und geheimnisvoller Musik inspiriert und ein wenig hab ich davon auch in Helgis Liedern zu vernehmen gemeint.
Keine Zweifel, keine Tiefe
Ich dachte, vielleicht kann diese nordische Mystik und diese Gefühlstiefe, die Helgi gern zur Schau stellt, bei einem Live-Konzert tatsächlich glaubwürdig rüber gebracht werden. Ich dachte, vielleicht werde ich emotional von Klavierklängen und ein wenig pathetischen Chören davongetragen, vielleicht werde ich mitgerissen, wenn dieser Musiker etwas Reales von sich auf der Bühne zeigt. Leider war dem nicht so. Helgi und Tina (die ihn auf seiner Tour als Bassistin, Gitarristin und Sängerin begleitet) waren auf der Bühne personifizierte Professionalität: höfliches Instrumente entgegen reichen, der Ehegattin Komplimente machen, lächeln und selbst bei technischen Pannen nicht aus der Ruhe kommen. Zwischendurch mal ein Witzchen machen, makellose Ansagen auf Deutsch, gekonnt vom Piano, zum Banjo, zur Posaune und wieder zurück wechseln – ohne Zweifel, Helgi Jonsson weiß schon, was er tut. Aber von der Tiefe und Dunkelheit, die „Musiker immer so empfinden und dann ausdrücken müssen“, wie Helgi selbst sagte, habe ich nichts gespürt.
Gediegen auf das Konzertende warten
Das restliche Publikum sah das scheinbar anders. Es wurde gejubelt, gelacht und sich gewogen in den angeschwollenen Höhepunkten der reibungslos konzipierten Songs. Offenbar hat Helgi Jonsson bereits eine sehr feste, eingeschworene Fangemeinde in Deutschland. Begeisterungsrufe kamen auch auf, als er seine Zusammenarbeit mit Falk Richter und der Schaubühne für das Stück „For the Disonnected Child“ erwähnte. Sympathisch und nahbar wollte er sein, als er eines der dafür geschriebenen Stücke spielte. Dabei übernahm er den Part der Opernsängerin und sich gleich mit. Große Gesangsgestik sollte deutlich machen, dass er sich aber selbst nicht zu ernst nimmt.
Es wurde gesessen im Studio des Admiralspalast, was die gesamte Veranstaltung noch gediegener machte und mir das Warten auf das Konzertende erleichterte. Gefreut habe ich mich über ein altes Duett von Helgi und Tina. „Careful People“ lebt von zwei Gitarren, zwei Stimmen und perfekten Harmonien – nicht weniger makellos als die anderen gespielten Lieder, aber mit weniger aufgesetzter Dramatik. Die restlichen Stücke waren vor allem die des neuen Albums und sonst gab es ein, zwei ältere, präsentiert von Helgi solo an der Gitarre. Leider konnte selbst die Tatsache, dass eine Frau am Schlagzeug saß, mich nicht für die Gesamtperformance begeistern lassen.
Die Entdeckung des Abends: Ida Gard
Mein persönliches Highlight des Abends war tatsächlich der Support Act: Ida Gard ist durch und durch dänisch (nach meiner eigenen total subjektiven Einschätzung) und erzählte mit charmanten dänischem Akzent seltsame Geschichten von Gewehren in schwedischen Wäldern und Bananenschalen, die sie als Kind auf die Straße geworfen hatte. Ihre Lieder offenbarten vermeintlich unwichtige Alltagsdetails und traumatische Erfahrungen gleichermaßen, größtenteils waren diese aber nicht autobiographisch sondern inspiriert von Mikael Niemis Roman „Populärmusik aus Vitulla“.
Ich freue mich die charismatische Ida Gard erlebt zu haben, aber Helgi und Tina konnten mich nicht berühren. Was für mich bleibt, ist die Frage, wo das skandinavische Vorzeigepaar ihre Makel gelassen haben. Und warum der Rest des Publikums diese nicht vermisst hat.