Im Plausch mit: Pierre Bee von I Heart Sharks

Im Interview Pierre von I Heart Sharks MUSIKMUSSMIT
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  • Beitrag zuletzt geändert am:23. November 2020
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Ich glaube, Leute werden mehr und mehr engagiert sein, aber es muss halt dieser Crossover kommen zum Aktivwerden und nicht nur diese Facebook-Blase.

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Konzert Und Interview am 28. Januar 2017 im Übel & Gefährlich in Hamburg
Text, Fotos und Interview: Jenny Gottstein

Vor einiger Zeit hatte die liebe Rike schon mal das Vergnügen, sich mit den netten Jungs von I Heart Sharks zu treffen. Ich hab die Gelegenheit genutzt und direkt da angeknüpft, um herauszufinden, ob und gegebenenfalls wie sich die Band verändert hat in den letzten drei Jahren. Sie sind – wie auf ihrem neuen Album zu hören – ernsthafter geworden, vor allem Pierre ist hörbar aufgebracht über einige gesellschaftliche Missstände. Ich habe mich mit ihm zusammen gesetzt und über das neue Album „Hideaway“, das Leben auf Tour und die politischen Veränderungen gesprochen.

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Pierre Bee von I Heart Sharks im Interview

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Rike hat im Jahr 2014 mit euch darüber gesprochen, was ihr so im Tourbus hört, wenn ihr unterwegs seid. Damals meintet ihr es sei The National, Drake und Interpol. Hat sich das verändert?
Ja, also wir sind noch mehr Richtung 80er gegangen. Wir hören jetzt viel mehr Bands wie The Cure und ganz viele Bands, die sich an diese Zeit mehr anlehnen, also moderne Bands wie M83 und auch ganz viel kitschiges Zeug. Gerade läuft zum Beispiel „Drive“ von The Cars ganz viel.

Wie hört ihr Musik, wenn ihr im Tourbus unterwegs seid? Dann auch noch oldschool CD oder Streaming?
Spotify tatsächlich. Ich hab jetzt seit eineinhalb Jahren erst meinen Führerschein und fahre megagerne und mach dann immer Playlisten an und die anderen müssen das immer hören oder Kopfhörer reinmachen (lacht).

Was würdest du sagen hat sich sonst noch verändert in den letzten drei Jahren?
Craig ist ja jetzt neu dabei als Bassist. Das ist für unseren Sound total wichtig. Jetzt einen Bassist dabei zu haben, bringt mehr so ein Gefühl von einer Band. Ich hab vorher denn Bass immer auf den Tasten gespielt und es hat mich total genervt, dass ich immer hinter dem Keyboard stehen muss und mich nicht so bewegen kann, wie ich es wollen würde. Craig hat den Bass nun übernommen und ich finde das bringt live ganz viel und bei der neuen Platte können wir bei vielen Songs viel rockiger sein.

Was hat euch letztendlich dazu gebracht Craig fest in die Band aufzunehmen? Er war ja vorher nur der Live-Bassist.
Weil wir uns einfach gut verstehen! Und dann hat alles perfekt zusammengepasst. Ich finde, es hat die Band auch stärker gemacht für Auftritte.

Kannst du dich noch erinnern, wie ihr euch kennengelernt habt und an euer erstes Treffen?
Wir waren so oft feiern in Berlin, wir sind als Teenager hingezogen. Das sind so zwei, drei Jahren mit vermischten Erinnerungen. Man weiß nicht wirklich genau, wann was passiert ist, aber wir waren ganz oft im Berghain und in anderen Clubs, die uns damals so krass begeistert haben. Wir haben die ganze Zeit Techno gehört und damals in Berlin muss man sich vorstellen… die Bandmusik war nicht so gut. Wir wollten auch nicht dazu gehören, es war für uns eher peinlich. Die Bands waren nicht so cool wie die Hamburger Schule. Die ist cool und gut gemacht. In Berlin war die Sache, die gut gemacht wurde, Techno. Wir dachten, wir wollen eine Band sein, die aus so einer Technostadt kommt und Musik macht, die davon beeinflusst ist. Wir waren dann einfach am Feiern und haben in den Clubs Ideen gesammelt von den DJs und morgens nach dem Club sind wir in den Proberaum gegangen und haben angefangen als Band zu spielen.

Im Interview Pierre von I Heart Sharks MUSIKMUSSMIT
Konzert im Übel & Gefährlich in HH

Geht ihr heute noch viel gemeinsam feiern wenn ihr in Berlin seid?
Ich glaube, wir gehen nur auf Tour feiern. Mittlerweile auch nicht mehr so viel. Obwohl die Clubs alle toll sind, wenn du das schon ein paar Mal gemacht hast, wird alles ein bisschen langweilig. Das einzige, das nicht langweilig wird, ist Schokolade.

Du und Craig kommt ja auch aus London.
Ja, aus Vororten von London.

Könntet ihr euch auch mal vorstellen, den Bandschwerpunkt nach Großbritannien zu verlegen?
Wir wollen beide nicht wieder in Großbritannien leben. Ich finde es nicht schön dort. Jetzt gerade ist es schrecklich dort und ich glaube, es wird sich noch verschlimmern. Irgendwann wird es auch wieder besser, aber der tiefste, tiefste Tiefpunkt kommt noch und dann muss man sich von dort wieder hoch arbeiten. Deswegen freue ich mich eigentlich in Berlin zu wohnen und nicht mehr in England.

Ist das auch so eine Grundstimmung auf eurem Album? Die Melodien sind immer sehr fröhlich, die Texte aber sind durchzogen von Ernsthaftigkeit und Kritik.
Schon, ja. Die Stimmung ist generell in unserer Generation sehr lau. Die Leute sind irgendwo zwischen kein Bock und alles doof finden. Sie kotzen sich auf Facebook aus und machen dann nichts mehr dagegen. Der Punkt wird kommen, wenn unsere Generation merken muss: wenn wir irgendwas ändern wollen, müssen wir aktiv was tun. Unsere Texte sprechen diese Unzufriedenheit auf jeden Fall an und wir versuchen die pessimistische Einstellung mit ein wenig melodischen Optimismus zu beeinflussen, damit die Leute auch motiviert sind was tolles zu machen.

Der Albumtitel „Hideaway“ spielt ja auch auf das Verstecken an…
Ich weiß nicht genau, wie viel der Titel aussagen soll. Ich glaube, den Titel haben wir nur gewählt, weil ein Song „Hideaway“ heißt. Der Rest vom Album schon eher. Das Coverbild sind ja ganz viele Leute, die kein Gesicht haben und spiegelt auch die Stimmung der Vorgeneration aus den 50ern wider. Die Babyboom-Generation, die jetzt überall an der Macht ist, die hatten ihre schöne, tolle Zeit und haben jetzt die Macht und denken überhaupt nicht an die Generation, die nun kommt. Das wollten wir damit sagen. Die nehmen keine Verantwortung an.

Glaubst du, dass sich das so schnell auch nicht ändert bei den ganzen politischen Veränderungen wie Brexit, Trump und AfD?
Ich hoffe, dass wir die Leute aufgerüttelt werden. Wenigstens sprechen sie jetzt über Politik. In den letzten Jahren konnte man sich das nicht vorstellen, die meisten Leute haben sich überhaupt nicht dafür interessiert. Jetzt hat jeder eine Meinung dazu, was erst mal gut ist. Ich glaube, Leute werden mehr und mehr engagiert sein, aber es muss halt dieser Crossover kommen zum Aktivwerden und nicht nur diese Facebook-Blase.

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In dem Song „Hideaway“ geht es auch darum, sich mal zu verstecken. Hast du manchmal auch Bock dich einfach wegzuducken, gerade in solchen Zeiten?
Ja, auf Tour zu sein ist manchmal auch eine Parallelwelt. Die schönste Zeit, als wir das Album geschrieben haben, war in Leipzig in einem sehr hübschen Studio. Das hat sich schon ein bisschen wie ein Versteck angefühlt, wir haben versucht nicht so oft auf die Handys zu gucken. Das war eine sehr intensive Zeit.

Hast du einen Ort, wo du dich verstecken würdest, wenn du dich mal ausklinken willst? Kann man sich in Berlin überhaupt gut verstecken?
Ja, im Winter muss man sich sogar verstecken, weil es so kalt ist. Ich würde vielleicht nach Spanien gehen, da ist es total hübsch. Da könnte man auch gut leben, man müsste sich halt nur überlegen, was für einen Job man macht.

Könntest du dir einen „Nine To Five“-Job aktuell vorstellen?
Ich mache gerne ganz viele unterschiedliche Dinge. Wir machen alle nicht nur die Band, sondern viele verschiedene Dinge. Ich könnte mir nicht vorstellen einen Bürojob zu machen. Ich brauche immer die Abwechslung. Als wir NUR die Band gemacht haben, hat mir auch etwas gefehlt.

Ist deswegen auch der Wechsel vom Major zum Indielabel gekommen? Um mehr Freiheiten zu haben?
Ja, ein bisschen. Wir haben das total genossen mit den Leuten zusammen zu arbeiten. Es war ein tolles Team, aber man muss so viel machen und es dauert alles so lange. Die Fotos planen, das Marketing, ich mache sowas supergern, aber es frisst Zeit. Jetzt haben wir ein kleineres Team, die Wege sind kürzer. Wir können an einem Tag ein Shooting machen und morgen den Onlineshop. Wenn man Bock hat auf diese Maschinerie, dann kann man sie richtig gut nutzen, dafür ist sie ja auch da. Wir fanden das spannend für ein Album, aber wollten es wieder so zu machen, wie wir es jetzt machen.

Es ist ja auch spannend, beide Seiten zu kennen.
Ja, total. Ich bin auch sehr dankbar, dass wir diese Möglichkeit hatten.

Was würdest du sagen, unterscheidet das aktuelle Album vom letzten Album?
Wir haben wieder mehr Britpop-Elemente dabei, ich liebe das. Aber ich finde das auch ein Problem: Brit-Pop oder britisch sein, das zieht nicht mehr. Es wurde ersetzt zu einer sehr hässlichen Sache. Was auch immer jetzt passiert, es wird England – und ich sage England, denn es war nicht Großbritannien, die so entschieden haben – es wird auch verändern, wie die Welt sie sehen. Das Schöne, was sie hatten, vor allem die tolle Kultur, sie haben es vermasselt. Die ganze Welt dachte, es wäre eine gebildete, internationale Nation und es gäbe nicht so viel Hass. Es ist ein wenig wie „Little Britain“, nicht Great Britain.

Es wird sich sicherlich auch auf die Musik und die Musikszene und –branche auswirken, wie sich Großbritannien weiterhin verhält und wie der Brexit tatsächlich durchgezogen wird.
Total, das ist auch so ein Punkt: es wird ätzender für jede Band! Zum Beispiel wie man zum Touring rüberkommt, ob es sich überhaupt lohnt, nach Europa rüber zu kommen. Aber es wird auch eine Rolle spielen, wie die Bands außerhalb wirken. Denn sie hatten immer diese Softpower, alle schauen dorthin, was in UK passiert. Hat der Rest der Welt noch Lust drauf, sich das anzuhören und deren Meinung zu hören? Die Beatles sind so wahnsinnig groß geworden, sie sind aus UK und machten die Insel zu einer großen Insel.

Glaubst du, ihr erreicht mit eurem Album und mit dessen Message die richtigen Leute, also die, die ihr erreichen wollt?
Es ist lustig, man sieht das immer wieder bei den Konzerten: manchen Fans sind mit uns gewachsen. Wir sind seit fast zehn Jahren eine Band und das sind natürlich Dinge, über die man sich Gedanken macht: wen wollen wir erreichen? Wen erreichen wir überhaupt? Oft sind ganz viele junge Leute auf den Konzerten, aber auch ältere, die mit uns gewachsen sind. Das ist sehr schön zu sehen!

Ich hoffe, dass das auch so bleibt und ihr weiterhin tolle Konzerte spielt!

Alben
2011: Summer
2014: Anthems
2016: Hideaway

Facebook // Wikipedia

Jenny

Aufgewachsen in einer zugegebenermaßen recht unmusikalischen Familie fing ich früh mit dem Schlagzeug spielen an, das ich aber aus Platz- und Lärmgründen während meines Philosophiestudiums aufgeben musste. Seither beschäftige ich mich einfach passiv mit der Musik und versuche erst gar nicht mehr meinen Geschmack einzugrenzen, denn je mehr desto besser. Immer. Überall. Ich höre u.a. Musik von Beatsteaks, Chance Waters, Moop Mama, Ratatat, Dendemann, Miike Snow, Hein Cooper, Tüsn, LOT.

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