Vorgestellt: Teresa Caballo aus Berlin | Interview

Teresa Caballo Berlin

Ich versuche mich gerne als Prototyp der „ganzheitlichen“ Gleichberechtigung, um Vorurteile beider Seiten zu neutralisieren.

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Artwork und Foto: Max Weise, Text und Interview: Corinna Sauer

Irgendwie fasziniert mich dieser Mensch und Musiker und dabei habe ich ihn bisher weder persönlich getroffen, noch live erlebt. Grundlage dieses Gefühls bildet ein kurzer netter Austausch per Mail, ein sehr interessantes und offenes Interview (dazu später mehr) und natürlich die Musik des Teresa Caballo, der auch David Friedrich heißt. Letztere könnte man unter dem Begriff Elektro-Pop zusammenfassen und das Attribut „vom Feinsten“ hinzufügen. Mit Bedacht arrangierte Synthie-Klänge nehmen den/die Hörer_in mit auf eine Zeitreise in die 80er und wieder zurück in die Jetzt-Zeit. Die dunklen Vocals füllen den musikalischen Raum und die unvorhergesehenen Wendungen sind wie Wegmarkierungen auf einer Reise durch Teresa Caballos Klangwelt. Als treibend martialisch, verspielt feinsinning, minimalistisch und gleichsam komplex könnte man den Charakter der kürzlich erschienene EP „The Legendary Mercy Notes“ bezeichnen.

Über die Musik hinaus hat David mit Teresa Caballo eine Persona erschaffen, die generalisierter Prototyp und gleichzeitig verletzliches Individuum ist, die fühlt und denkt und innerhalb ihrer Rolle das in Frage stellt, was wir als gesellschaftliche Normen bezeichnen.

Das Interview, das ich mit Teresa Caballo per Mail geführt habe, lest Ihr hier:

Bitte erzähle etwas zur Entstehung Deines Projekts „Teresa Caballo“.
Mein Wunsch war es, mich als Mensch für die Öffentlichkeit zu definieren, um für Werte wie Liebe und Ehrlichkeit einzustehen, was ich durch eine schnörkelfreie und „direkte“ Art auch auf musikalischer Ebene vermitteln möchte.
Da Teresa Caballo mein Geburtsname ist und ich mich von Anfang an damit definiere, lag es nahe, diesen nun als Künstlernamen anzunehmen. Ein positver, aber auch zugleich merkwürdiger Nebeneffekt ist, dass es einige Menschen gibt, die damit ein Problem haben und es befremdlich finden, dass ein Mann einen Frauennamen trägt.

Wie sah Dein Werdegang als Musiker vor Teresa Caballo aus?
Angefangen habe ich klassischer Weise mit einer „Garagenband“ namens „Exit Inside“. Es war ein absoluter Kontrast zu dem, was ich heute mache. Allerdings konnte ich dort viel Live- und Recordingerfahrung mitnehmen, wovon ich heute noch profitiere. Anfang 2009 habe ich mit Marcel Heise die Band verlassen und mit ihm und Max Weise die Band „Disco Love Machine“ gegründet. Im Fokus stand vor allem die Musik. Wir haben uns ein Studio erarbeitet, mit der Musik experimentiert und 2013 unsere erste LP veröffentlicht. Disco Love Machine hat den Grundstein für meine aktuellen elektronischen Interessen gelegt und vertiefte zudem mein Musik- und Kompositionsverständnis.

Wie kamst Du letztendlich zur elekronischen Musik?
Ich muss ehrlicher Weise zugeben, dass ich aus musikalischer Sicht sehr pedantisch bin. Besonderen Gefallen habe ich deshalb an dem maschinellen Aspekt der elektronischen Musik gefunden – und auch der Sound früherer Videospiele (F Zero) hat mir schon immer gefallen. Was mich dabei angemacht hat, sind die Pattern, die sich immer wiederholt haben, ohne auch nur einmal einen Schlag daneben zu setzen. Es war also eigentlich die Fasizination der Exaktheit elekronischer Musik, die mich gefesselt hat und meine Pedanterie befriedigt.

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Durch Deine Kompositionen und die Persona, die du mit „Teresa Caballo“ geschaffen hast, hinterfragst du Geschlechter-Stereotypen und interpretierst das „Mann-Sein“ in subjektiver Art und Weise. Wie oder wodurch entstand dieser Ansatz?
Ich begann schon früh mich zu fragen, was es bedeutet ein Mann zu sein. Besonders in unserer heutigen Gesellschaft ist es für einen jungen Menschen nicht einfach, sein Geschlecht zu definieren.

Als dann Mitte 2014 bei mir Hodenkrebs diagnostiziert wurde, war das für mich ein Wendepunkt in meinem Leben. Die anschließende Operation und Chemotherapie haben plötzlich alle meine bisherigen Ziele neu definiert. Die Krankheit führte dazu, dass ich mich noch intensiver und bewusster mit der Sexualität, mit Mann- und Frausein auseinander gesetzt habe, da ich mir in dieser Zeit häufig die Frage stellte: bin ich nun noch ein Mann? Ich selber habe für mich erfahren, dass ich wohl eher eine Frau bin ohne dabei zu behaupten im falschen Körper zu sein. Es ist viel mehr die Reaktion meiner Umwelt, die mein Verhalten eher an den weiblichen Attributen fest macht. Für mich ist es nun an der Zeit, zu schauen, wie weit ich damit gehen darf bzw. kann. Ich versuche mich gerne als Prototyp der „ganzheitlichen“ Gleichberechtigung, um Vorurteile beider Seiten zu neutralisieren. Natürlich gibt es definitive Unterschiede zwischen Mann und Frau, die ich lediglich auf ein paar biologische Umstände zurückführe. Ein Mann ohne Hoden bleibt biologisch gesehen ein Mann, genauso wie eine Frau ohne Brüste.  Alles andere ist aus meiner Sicht reine Kopfsache.

Kleine Randnotiz: MUSIKMUSSMIT hat von mir das letzte Bild geschossen, bevor ich die Diagnose erhielt und das Prozedere begann. Ein seltsames Gefühl, wenn ich mir das Bild anschaue, weil sich, nicht einmal 24 Std. später, mein Leben von Grund auf geändert hat.

Der Titel Deiner vor Kurzem erschienenen EP „The Legendary Mercy Notes“ bezieht sich auf die mysteriösen „Mercy Notes“, die ein_e Musiker_in erhält und mit ihnen, der Legende nach, Ruhm erlangt, jedoch nicht ohne einen Preis dafür zu zahlen. Stimmt die Geschichte soweit und was ist Dein persönlicher Bezug zu den „Mercy Notes“?
Die „Mercy Notes“ sind wie die Magie: sie behalten ihre Schönheit bis sie gelüftet wird. Versteht mich bitte nicht falsch, aber ich will die Schönheit erhalten und werde deshalb diese Frage nur zum Teil beantworten. Ich bin der Meinung, dass es für jeden Musiker einen Moment gibt, in dem er merkt, „Wenn ich diesen Schritt wage, werde ich einen Preis zahlen müssen“. Und der ist individuell. Aber diese kleine Schaltung im Hirn eröffnet einem Türen zu neuen Räumen.

Was bedeutet die Musik der 80er, von der Dein Sound geprägt ist, für Dich?
Sozialisiert durch die Musik der Eltern ist es für mich selbstverständlich, dass sich die Ästhetik der Klänge stark an den Zeitgeist der Achtziger anlehnt. Ich verbinde viele positive Emotionen mit diesem Sound. Deswegen sind für mich die Achtziger auch die große Ära der Popmusik und wenn ich komponiere und texte, vermische ich gerne diese Zeit mit der meinen.

Was inspiriert Dich, abgesehen von Musik?
Einen Auszug dazu wird es in einer kleinen, selbstironischen Fotoreihe namens „Back in the studio“ von Sophie Schwarzenberger und mir geben. Dabei werde ich an Orten fotografiert, die mich inspieren, beeinflussen und an denen ich zugleich an meiner Musik arbeite, komponiere und texte.
Ich bin der Meinung, dass man als Künstler seine Inspiration aus der eigenen Umwelt gewinnt. Das unterscheidet für mich den Künstler vom Nicht-Künstler. Während der Arbeit an meiner EP habe ich mich viel mit der Droge „Heroin“ beschäftigt – nicht zuletzt weil ich selbst Erfahrungen damit machen musste, ohne dabei Konsument gewesen zu sein. Ich habe auch oft gehört, dass einige Menschen der Meinung sind, dass ihre künstlerische Ader von bewusstseinsverändernden Substanzen abhängt, wovon ich reichlich wenig halte. Denn es ist ein wenig wie Dopen. Irgendwie keine wirkliche Leistung und in meinen Augen vor allem ein sehr gefährlicher Weg. Das bedeutet nämlich im Umkehrschluss, dass die Leute ohne diese Substanz  nicht richtig arbeiten können und ohne Hilfsmittel keine neue Musik mehr schreiben. Das ist schade.

Was sind deine nächsten Pläne? Wird es bald ein Album geben? Und wird man Dich in nächster Zeit irgendwo live erleben können?
Zunächst werde ich Ende August als Nachwuchs bei der Pop-Kultur Berlin im Berghain dabei sein und freue mich schon sehr neue Musiker, Blogger / Journalisten und Musikliebhaber kennenzulernen, aber auch alte Bekannte wie z.B. den Sänger der Band Taiga wieder zusehen. Aktuell bin ich dabei mein erstes Album aufzunehmen, das Anfang 2016 veröffentlicht werden soll und den Namen „Persuasion“ trägt. Dabei setzte ich mich mit der Thematik der Überzeugung und der Überredung auseinadner. Konzerte sind geplant, wenn die neue Platte fertig gestaltet ist. Darauf freue ich mich ganz besonders, da es immer wieder ein sehr aufregendes und spannendes Gefühl ist, zu sehen wie die Leute live auf meine Lieder reagieren. Da ich live mit Marcel Heise an den Drums auftrete, bekommen die Lieder auch nochmal eine neuen Anstrich. Das ist schön.

Gibt es zum Schluss noch etwas, das Du mit den Lesen teilen möchtest?
Für mich ist die Liebe eines der wichtigsten Gefühle und eine Säule unserer Gesellschaft. Dementsprechend widert es mich an, wenn ich zusehen muss, wie die Politiker über die gleichgeschlechtliche Ehe abstimmen. Es ist für mich völlig unverständlich, dass man darüber diskutiert. Ernsthaft, ich verstehe es nicht. Die Ehe war für mich immer ein Schritt, den zwei Liebende gemeinsam gehen und nicht nur Mann und Frau. Das ist entwürdigend und meiner Meinung nach respektlos. Daran erkenne ich, dass es noch zu viele Menschen gibt, die es nicht sehen wollen, wenn sich gleichgeschlechtliche Paare lieben. Die Ehe ist für mich deshalb aktuell eine Lüge und kommt für mich nur in Frage, wenn sie allen zusteht, die sich lieben.

Veröffentlichungen
2015 – The Legendary Mercy Notes (EP)
VÖ geplant Anfang 2016 – Persuasion

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Teresa bzw. David spielt außerdem in der Band Disco Love Machine, die wir auch schon im Interview hatten, außerdem war er bei Fritz im Interview. Der Song „Downtown“ hat es in Fritz´ Playliste geschafft, Glückwunsch!

Corinna

Ich schreibe nicht gerne über mich, viel lieber berichte ich über andere und insbesondere über Bands, zu denen mich "die Kanzlerin" schickt. In der Fotografie zu Hause, bin ich als Blog-Knipse jedoch hauptsächlich dafür zuständig, meine Eindrücke von Konzerten mit Euch in Form von Bildern zu teilen. Ansonsten erlebe ich gerne Dinge, Menschen, Musik, Orte (jeden Tag auf's Neue und immer wieder gerne Berlin) und was noch so alles erlebbar ist.

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