Immer noch verliebt ins Feel Festival – So war´s am Bergheider See

Feel Festival 2016 Review Foto Friederike Suckert MUSIKMUSSMIT
  • Beitrags-Autor:
  • Beitrag zuletzt geändert am:2. November 2018
  • Beitrags-Kategorie:Festivals / Musik
  • Beitrags-Kommentare:0 Kommentare
  • Lesedauer:11 min Lesezeit

 

Festivalreview: Feel Festival 2016 – vom 7. – 11. Juli 2016 am Bergheider See
Text und Fotos: Friederike Suckert

Den Sandstrand im Hosenaufschlag und Sonnenbrand auf den Ohrenspitzen ist es Zeit, von meinem geliebten Feel Festival am Bergheider See zu berichten.

***

Die Ankunft

***

Donnerstag nachmittag kamen wir zu sechst auf zwei Autos verteilt auf dem ehemaligen Eisen- und Kohleabbaugebiet an und da war es schon ganz schön voll. Da ich nicht zum Silent Camping wollte, haben wir bei der Hauptbühne unser Lager aufgeschlagen, was eine der besten Entscheidungen überhaupt war. Fünf Minuten zum See, eine zur Hauptbühne: ausgesprochen praktisch, wenn man den halben Tag biertrinkend am und im See liegt und vor der Lieblingsband noch was kochen muss.

***

Campingplatz Feel Festival 2016 Review Foto Friederike Suckert MUSIKMUSSMIT

***

Die Toiletten und die Bühnen

***

Was als erstes, neben dem gewachsenen Gelände auffiel, waren die Toiletten: die stinkigen Dixie-Klos wurden gegen Öko-Toiletten ausgetauscht. Man musste einfach nur mit Sägespäne sein Geschäft bedecken und so hat es kaum gerochen. Je nach eingeteilter Schicht waren die Klos auch immer sauber und leer, ich hatte nur zwei Mal extrem lange Wartezeiten. Das hebt die Stimmung ja schon mal gewaltig.
Für die Stimmung wurde dieses Jahr auf insgesamt 21 (!!!) Bühnen mit Namen wie Endlos oder Rausch gesorgt. Da ging die Übersichtlichkeit ein wenig flöten, ich habe manche Floors erst beim Abbau gesehen und auch ein zwei Acts verpasst, was auch daran lag, dass wir keinen Timetable bei der Ankunft in die Hand gedrückt bekamen. Wieder eine kleine Kinderkrankheit, aber auf diesem sehr viel größerem Gelände doch ärgerlich.

***

Feel Festival 2016 Review Foto Friederike Suckert MUSIKMUSSMIT

***

Die Bühnen sind aber alle ausnahmslos liebevoll und mit viel Phantasie hochgezogen worden, in der Burg Schnabel gab’s sogar ein Bällchenbad. Die Kugeln waren irgendwann natürlich über das komplette Gelände verstreut. Einmal um den Viertelsee rum gab es eine kleine Westernstadt mit zwei Floors, Saloon und Outdoor, der Weg dorthin war beschwerlich. Der Shuttle war irgendwie doof, bzw. gar nicht  ausgeschildert und für uns unauffindbar und so sind wir unter praller Sonne in Flip Flops durch das Distelfeld gekraxelt, welches man eigentlich gar nicht betreten durfte, um dieses Einod besuchen zu können. Irgendwo im Nirgendwo hat uns dann doch ein Bus abgeholt und zu der sandigen Straße mit den Holzfassaden drumherum gefahren. Eine geile Idee! Leider zu weit weg um halb vier Uhr morgens für K-Paul dahin zu zuckeln.

***

Westernstadt Feel Festival 2016 Review Foto Friederike Suckert MUSIKMUSSMIT

***

Nachtwanderung mit Höhenangst

***

Samstag nachmittag hat der Technikaufbau nicht geklappt und deswegen ging es ewig nicht los und am Strandfloor war doch Lauren Flax vom Mint-Team! Da hab ich dann auch unser Camp hinbeordert, eine Stunde im Staub sitzen kann ich auch in meiner Bude.
Die Aussicht auf eine Abräumförderbrücke, die habe ich da aber nicht. Und die ist so toll, ich habe auch in diesem Jahr immer wieder inbrünstige beeindruckte Kommentare um mich herum gehört. Im letzten Jahr habe ich die Nachtwanderung verpasst und schwor, sie dieses Jahr nachzuholen, falls sich jemand erinnert. Ehrensache. Es gab Gerüchte, dass man eine Stirnlampe mitbringen muss, auf Alkohol und Drogen getestet wird. Wäre wohl vernünftig gewesen, am Ende hat es aber nur 5€ gekostet. Und so sind wir dann dem Sonnenaufgang entgegen dieses Riesenviech hochgewatschelt. Schlechte Idee nach zwei Wodka-Mate und ausgesprochener Höhenangst. Die Aussicht war grandios, das Festival mit seinem Kettenkarussell sah aus wie ein Tilt-Shift-Video, aber die Brücke hat gewackelt und das bei einer Windgeschwindigkeit von nur einem Meter pro Sekunde. Unser Museumsführer meinte, das Ding kann auch schon mal zwei Meter weit ausschwenken. Lörgs. Wir waren froh, von dem Teil runter zu sein, leider hatten wir damit den Samstagabend verschenkt. War trotzdem gut, das gemacht zu haben, so eine Aussicht haste selten.

***

Die Bands

***

So und nun fragt Ihr euch sicherlich, was für Bands außer Lauren Flax noch im Line Up waren. Dass wir erst vor Ort ein Heftchen mit den wichtigsten Acts bekamen fand ich ja doof, denn Vorfreude ist die größte Freude. Der Trick mit der akuten Freude hat trotzdem funktioniert, für unser Geburtstagskind gab’s schon mal den bestmöglichen Zufall: Drangsal! 18.30 Uhr sollte es losgehen, die Technik hat nicht mitgemacht, das Publikum war spärlich, aber begeistert wie nix! Der junge Herr, der gern mal als Arschloch verschrien wird, war sehr angetan und bedankte sich, „dass wir tanzen, denn das ist ja nicht mehr so üblich auf Festivals!“ Weiß nicht, welches er meint, das Feel war es noch nie. Leider durfte er die fehlenden Minuten nicht hinten anhängen, aber „Hinterkaifeck“ gab´s zu meiner Freude.

***

Drangsal Feel Festival 2016 Review Foto Friederike Suckert MUSIKMUSSMIT

***

Eigentlich gab es für jede_n von uns ein Highlight, da gehörten Razz mit dazu. Diese blutjunge Indie-Band aus dem Emsland zogen schon mit Alex Clare, den ich letztes Jahr interviewen durfte, durch die Lande und haben eine kleine, aber feine Fanbase. Bei den Melodien und der Stimme des Sängers kein Wunder. Der muss mit dem Leader von Annenmaykantereit schon mit zehn Jahren Whiskey saufend im Partykeller gesessen haben!

Für mein Fanherz sind The Notwist aufgetreten! Sie haben ihr absolutes Erfolgsalbum „Neon Golden“ performt und das war eventuell etwas verschwurbelt. Klar, den Klassikern einen neuen Anstrich zu verpassen ist eine grandiose Idee, aber bei ein zwei Songs hätte man schon durchaus ein paar Minuten Gefrickel einsparen können, denn dann hätten sie auch Zeit für mein Lieblingslied Consequence gehabt, auf das ich mich zwei Tage gefreut habe. Da haben sie mir schon ein wenig das Fanherz mit gebrochen.

Die Freude über den Auftritt von Carsten Meyer aka Erobique war dafür umso größer. Der Vertreter des Hamburger Deutsch-Pop-Elektro-Adels hat viele auf den Endlos-Floor gezogen. Leider funktionierten die Boxen nicht wie erwartet und so ging wieder Zeit ins Land und die Stimmung etwas runter. Mit Urlaub in Italien und dem lustigen Liedlein über seinen Absturz durch zu viel Glück im Blut hat er dann aber doch noch alle zum Hintern wackeln gebracht. Einfach ein cooler Typ.

***

Feel Festival 2016 Review Foto Friederike Suckert MUSIKMUSSMIT

***

Da man ja auch immer mal wieder Acts einfach so anschaut, wird man auch überrascht. So ging es mir mit Frittenbude. Ich glaube fast, dass nur Bosse mehr zur Hauptbühne gelockt haben. Na, jedenfalls war die Bude zurecht voll, denn die Jungs hatten gaaaaanz viel Liebe zu geben. Die ständigen Aufrufe zur Massenumarmung und Knutscherei haben uns zwar schwer genervt, aber jede_r, der dem heutigen Hass etwas entgegensetzen will, ist mein Freund. Und außerdem ist das „Kunst, mindestens in 1000 Jahren!“

Richtig gut wurde es bei Blondage fka Rangleklods. Ich glaube, nur 50 Leute haben sich um ein Uhr morgens mit uns an der Hauptbühne eingefunden und die beiden sahen auch enttäuscht aus. Sie haben trotzdem in die Tasten und auf die Drumpads gehauen und wir alle hatten unfassbar viel Spaß! Die beiden sind aber auch ein sexy Team und ihr angedüsteter Elektro ist ganz meins.

Am Sonntag wollte ich The/Das sehen, ein neues Projekt zweier Bodi Bill-Gründer. Leider ist auch da mal wieder die Technik ausgefallen, das Konzert wurde hinter das EM-Finale verschoben und so fanden sich ca. 20 Leute ein. Der Sänger fand das richtig scheisse, eine nettere Beschreibung gibt’s dafür einfach nicht und so war das Konzert auch irgendwie murks. Schade, ich hatte mich wirklich wahnsinnig drauf gefreut.

***

The/Das Feel Festival 2016 Review Foto Friederike Suckert MUSIKMUSSMIT

***

Meinen Elektroakku habe ich mir bei diversen Acts am Strand aufgeladen, unter anderem bei Lauren Flax und Monkey Safari, kurz mal zu Koby&Jagger im Iglu die Nase reingesteckt. Oliver Koletzki hat sage und schreibe ein vierstündiges Set hingelegt und währenddessen habe ich am Timetable entdeckt, dass ich Ena Lind verpasst habe. Schade, aber ich hatte dafür überraschenderweise sehr viel Spaß bei Harris auf dem Prince Charles Floor. Auflegen kann der Macho.

Ich habe sehr viele Acts nicht gesehen, aber es waren noch Bosse, Faber, Turbostaat, Milliarden, Von Wegen Lisbeth, Friska Viljor und sehr viele mehr da.

***

Das Fazit

***

Es war super, es gab so viele Acts, die ich schon immer live sehen wollte. Die Hygiene durch die Ökotoiletten war eine tausendprozentige Steigerung, die Stimmung generell großartig und offen. Klar, um uns herum wurden mal wieder ohne Scheu Pülverchen durch die Nasen gezogen, Töne beim Tanzen gefangen und sieben Uhr morgens fühlt man sich wie in einer Zombie-Apokalypse gefangen. Sonntags hatten wir sicher 35°C und dafür gab es kaum schattige Plätze auf dem Gelände zum Abkühlen, der See konnte einiges mildern, aber trotzdem ist ein Mädchen krampfend zusammen geklappt. Ich weiß nicht, aber im letzten Jahr war man sich schon bewusster, was das Publikum konsumiert und bei der Größe hätte ich mehr als eine freie Trinkwasserquelle gut gefunden. Beim Essen war von langweilig bis hyperlecker alles dabei. Diese Handbrotzeit hat mich angefixt und ich glaube, so gute Falafel habe ich noch nie gegessen. Und ich bin schon lang im Falafelgeschäft.

Im nächsten Jahr fällt das Fusion Festival aus, dessen sind sich die Veranstalter_innen schon bewusst. Ich denke, die Gemütlichkeit ist damit passé, aber ich kann es trotzdem immer wieder nur empfehlen!

Danke Feel Festival! Ich denke jetzt wehmütig daran, dass ich ein Jahr warten muss, bis ich wieder roten Sand zwischen den Zehen habe.

Friederike

In einer Höhle voller Bücher von Plattensammlern aufgezogen, sozialisiert in idyllischer Randbezirkplatte durch ABBA, Elvis und Nirvana, schulternwippend in die Kaschemmen und Tanztempel der Stadt gewankt, bin ich jetzt graduierte Popnutte. Schon immer eher Beobachterin als Macherin, frage ich, was die Entscheidung für das Künstlerleben so mit sich bringt.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.