Einblick in die malische Musikkultur und ihren Erhalt
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Text: Till Brokhausen, Beitragsbild: Konrad Waldmann
Kulturelle Nähe ist bei Trauerbekundungen über Terroranschläge in Frankreich, der Türkei oder Somalia immer wieder Thema gewesen. Wann sind wir betroffen, fühlen zumindest so, wann fühlt es sich weit weg an und sind wir deswegen Heuchler_innen? Fragen, die ich mit diesem Text nicht beantworten werde, die ich mir anlässlich des Dokumentarfilms „Mali Blues“ aber wieder stellen musste.
Der Norden Malis wird seit 2012 von dschihadistischen Milizen beherrscht, die dort die Scharia eingeführt haben. Aufgrund kurzsichtiger internationaler Maßnahmen und politischer Instabilität im Süden hat sich die Lage auch nach Eingreifen der UNO, deutscher und französischer Truppen bis heute kaum oder gar nicht verbessert. Wie immer sind die genauen Vorgänge und Hintergründe komplex, doch die Folgen äußerst greifbar.
„Mali Blues“ veranschaulicht zumindest eine Konsequenz, indem es erzählt, wie die Dschihadisten „westliche“ Musik verbieten und ihre Urheber_innen bedrohen. Vier malische Musiker_innen mussten infolge dieser Entwicklungen ihre Heimat verlassen. Nun üben sie musikalischen Protest an dieser speziellen Auslegung des Islam.
In Interviews, Aufnahmen vorbeiziehender Landschaften und Mitschnitten mehrerer Konzerte verfolgt „Mali Blues“ ihre Anstrengungen, ihr Schicksal und bebildert dabei die Liebe, die sie trotz Angst und Exil immer noch für Mali hegen. Dabei kommt „Mali Blues“ ganz ohne Erzählerstimme oder Kontextualisierung der Geschehnisse und des Gesagten aus, lässt die Bilder für sich sprechen und die melancholische Musik das geschäftige Treiben auf den Straßen kontrastieren.
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Manchem mag das zu wenig sein, doch die Dokumentation zeichnet intime Porträts seiner musizierenden Protagonist_innen. Fatoumata Diawara, die als junge Erwachsene nach Frankreich floh und nun nach Mali zurückfindet, sich dort unter anderem auch gegen weibliche Genitalverstümmelung einsetzt. Bassekou Kouyaté, dessen Leben als Griot – eine Art Zeremonienmeister und Barde – quasi vorbestimmt war und internationale Anerkennung als Botschafter und Innovator seiner Musikkultur genießt.
Ahmed ag Kaedi, der als Touareg aus dem Norden früh in die politischen Ereignisse dort verstrickt war und zeitweise selbst zur Waffe griff. Master Soumy, der mit politischem HipHop das malische Volk erreicht, das zu mehr als 50% jünger als 18 Jahre ist. Diese Einzelschicksale werden im Laufe der Dokumentation zu einem Strang verwoben, an dem alle für die Musik Malis ziehen, und hat mir ganz nebenbei Lust gemacht, selber mehr herauszufinden.
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Hier also zurück zum Anfang. Was hat das mit uns zu tun? Expert_innen sind sich nicht ganz einig, betonen die Einflüsse schottischer Gospel und indianischer Rhythmen auf Blues und Jazz. Doch die Bedeutung Afrikas, speziell malischer Kultur wie sie sich „Mali Blues“ zum Anlass nimmt, ist für die Genres nicht von der Hand zu weisen. Die Ekstase des Publikums während der dokumentierten Konzerte und Fatoumatas Stil des klagenden Rufens und der Gegenrufe des Publikums lassen daran emotional wenig Zweifel.
Ohne Blues kein Funk, kein Soul. Damit kein HipHop, kein Disko. Damit kein House, kein… na ihr wisst schon. Und das hat doch mit uns allen zu tun.
Mali Blues Trailer
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Filmstart: 29. September 2016
Länge: 90 Minuten
gebrueder beetz filmproduktion
Deutschland, Köln
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