Nick Cave & The Bad Seeds am 14.07.18 live in der Waldbühne Berlin
Text und Fotos: Yvonne Hartmann
Ein Nick Cave & The Bad Seeds Konzert ist Emotion, Rock’n’Roll und Atmosphäre von einem anderen Stern. All das gab es am 14. Juli 2018, gepaart mit traumhaftem Sommerwetter und der perfekten Location, die Waldbühne Berlin.
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JAZZY INDIE ROCK MIT NADINE SHAH
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Bevor Cave und seine Bad Seeds allerdings die Bühne übernahmen, brachte Singer/Songwriterin Nadine Shah mit ihrem intensiven Mix aus Loner Pop und jazzy Indie Rock die voll besetzte Waldbühne vorab in Stimmung. Die 32-jährige Engländerin mit norwegischen und pakistanischen Wurzeln ist in der Musikwelt längst keine Unbekannte mehr. 2013 veröffentlichte sie ihr von Ben Hillier (Blur, The Horrors, Depeche Mode) produziertes Debütalbum „Love Your Dum And Mad“. Es folgten zwei weitere Studienalben – „Fast Food“ (2015) und „Holiday Destination“ (2017).
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ELEGANT, IMPOSANT UND NAH
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Seit dem Besuch seines letzten Konzertes in Berlin (Max-Schmeling-Halle) im Oktober 2017 fieberte ich auf diesen Termin hin. Diesmal mit Fotopass und Kamera ausgestattet, habe ich wohl noch nie so aufgeregt und voller Vorfreude bei einem Konzert den Fotograben betreten. Und da stand er nun, direkt vor uns, Nick Cave. Elegant wie immer, im dunkelblauen Anzug, die Hände zu Fäusten geballt, mit seiner imposanten Gestik und Mimik, die jedes seiner gesungenen Worte noch tiefer in unser emotionales Unterbewusstsein manövrierten. „It’s daylight, that’s terrifying!“ scherzt ein gut gelaunter Nick Cave – wobei wohl ein Stück Wahrheit in dieser Aussage nicht zu leugnen ist.
Schon beim Opener „Jesus Alone“ suchte er die Nähe zum Publikum, betrat den schmalen Steg entlang der Bühne, beugte sich über die Fans, die ihm die Hände entgegen streckten.
Nicht nur sein musikalisches Repertoire aus über 30 Jahren Musikkarriere, sondern vor allem die Charaktere, die Nick Cave selbst während seiner Shows verkörpert, machen seine Konzerte zu einem einzigartigen, explosiven Mix. Während der Rockstar Cave bei Postpunk-Klassikern wie „Tupelo“ oder „From Her To Eternity“ wild mit Warren Ellis über die Bühne tobte und Notenständer umriss, bekamen wir bei Balladen wie „Into My Arms“ oder „Girl in Amber“ den melancholischen und zerbrechlichen Nick zu sehen.
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WE ROCKED, WE WEEPED, AND WE PUSHED THE SKY AWAY
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Die mit dem Pressepass verbundene Zugangsberechtigung zu diversen privilegierten Bereichen im Zuschauer_innenraum mit guter Sicht ist normalerweise verlockend, nicht aber bei einem Nick Cave Konzert, denn hier ist „Mittendrin statt nur dabei“ ausnahmsweise mal wörtlich zu nehmen.
Links vorne, vor einem kleinen Podest mitten im Innenraum platziert, hatten wir 1. gute Sicht, 2. beste Stimmung um uns herum und 3. Nick Cave für einen Song ganz nah. Als er nämlich wie gewohnt für „The Weeping Song“ die Menge durchquerte und genau dieses Podest betrat.
Leider schafften wir es wieder nicht unter die rund 50 glücklichen Fans, die Cave gegen Ende des Konzertes auf die Bühne holte. Ohne Frage das Highlight des Konzertes, nicht nur für diejenigen, die nun die atemberaubende Kulisse von der Bühne aus sahen. Es folgte mein absoluter Gänsehautmoment: Über 20.000 Fans, die ihre Hände zu „Push The Sky Away“ Richtung Himmel streckten.
Wir erlebten einen greifbaren, menschlichen Nick Cave, den immer auch eine düstere und geheimnisvolle Aura zu umgeben scheint. Umso erstaunlicher ist es, dass er genau am 3. Todestag seines Sohnes Arthur eine so energiegeladene und überwältigende Show abliefert. Vielleicht ist auch dies Teil der Trauerarbeit, die mit der Doku „One More Time With Feeling“ während der Aufnahmen zum letzten Album „Skeleton Tree“ begann.
We rocked, we weeped, and we pushed the sky away. Nick Cave & The Bad Seeds nahmen uns mit auf einen emotionalen 120-minütigen Trip von „Jubilee Street“ bis zum „Distant Sky“. Und ich kann es kaum erwarten ihn wieder live zu sehen.
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