Konzert am 16. Juli 2017 im Tempodrom in Berlin | Support: Paradisia
Text und Fotos: Katha Strophe
Verwirrend und ganz anders als erwartet war er, der Auftritt des amerikanischen Country-Pop-Rock Talents Ryan Adams, letzten Sonntag im Tempodrom.
Zunächst begann der Abend mit dem stimmlich harmonischen aber ansonsten sehr einschläfernden Mädels-Voract Paradisia. Abgesehen von einem schön melancholischen Bruce Springsteen Cover und den pinken Plastikblumen an den Mikrofonen blieb wenig hängen und um ehrlich zu sein hörte sich auch jeder Song zum Verwechseln ähnlich an. Ein Highlight war allerdings der Moment nachdem das Publikum durch eine lautstark gesprungene Harfen-Saite wiedererwachte und die Band das gut für einen Lacher nutzen konnte. Traurig nur, dass dies auch gleichzeitig der einzig spontane Konzertmoment bleiben sollte.
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Bevor es losging…
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Zwischen Vor- und Mainact wurde dann verwunderlicher Weise wieder Hard Rock und Punk abgespielt, was an sich ja gar nicht schlimm wäre, aber einfach überhaupt nicht zum Publikum und schon gar nicht im Anschluss an den zarten Support-Act passte.
Da ich mir leider am Vortag den Knöchel etwas verstaucht hatte, verzichtete ich gezwungener Maßen auf einen Stehplatz in den vorderen Reihen und zog mich auf die Sitztribüne zurück. Von dort aus fiel allerdings die gähnende Leere zwischen Sitzreihen und dem Stehpublikum besonders auf, die auch im weiteren Konzertverlauf bestehen blieb und jeden potenziellen Funken am Überspringen hinderte.
Nach der Anweisung, dass bitte unbedingt auf Blitzlicht zu verzichten sei, da Ryan an einer entsprechenden Überempfindlichkeit leide, trat der Künstler samt Band ohne Rampenlicht auf die Bühne. Das „Beleuchtungsproblem“ wurde allerdings sehr geschickt, wenn auch ungewöhnlich gelöst, indem zwar auf direkte Spots und helle Lichter verzichtet wurde, aber stattdessen die Rückwand hinter der Band als Sternenhimmel verkleidet und mit Strahlern mit abwechslungsreichen Effekten und buntem Licht bestrahlt wurde. Im Zusammenspiel mit der Dampfmaschine wurde so eine außergewöhnliche Beleuchtung geschaffen. Zudem türmte sich hinter Ryan Adams eine Pyramide aus alten TV-Bildschirmen, auf denen hypnotische Videos und bewegte Grafiken abgespielt wurden.
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Der Auftakt
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Nach einer kurzen Begrüßung stimmte Ryan den ersten Song an. Gleich im Anschluss wurden eine Handvoll weitere Lieder wie programmiert abgespielt und ich hatte das Gefühl, dass das Set möglichst schnell über die Bühne gebracht werden sollte. Zum Glück änderte sich das, nachdem Ryan endlich auch seine Mundharmonika dazu nahm und der Auftritt dadurch auch gleich etwas tiefsinniger zu werden schien. So schnell wie die Mundharmonika zum Einsatz kam, wurde sie aber leider auch samt der Akustikgitarre wieder verbannt und es reihte sich stattdessen ein einstudiertes Gitarrensolo an das andere. Ohne Frage können längere instrumentale Einlagen und spontane Jams häufig das i-Tüpfelchen eines Auftritts sein. Beim Ryan Adams Konzert war das aber leider nicht der Fall, da es dem Ganzen einfach an Leichtigkeit, Leidenschaft und Spontanität fehlte.
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Satan spielte Tamburin
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Als absolute Überraschung sollte vermutlich ein kostümierter Tamburin-Spieler samt Satansmaske mit roten LED Augen dienen, der für ein paar Songs auf die Bühne kam. Leider führte diese Idee allerdings eher zu Verwirrung, insbesondere bei den älteren Konzertbesucher_innen und mir. Wer weiß, vielleicht bin ich auch einfach doch schon zu alt, um Satansverkleidungen auf einem Country-Pop Konzert zu verstehen. Der Zusammenhang erschloss sich mir dann bei der Sichtung eines Ryan Adams Merchandise Artikels, auf dem fett geschrieben stand: „I listen to Ryan Adams because I love Satan“. Achso. Ist das Humor oder kann das weg?
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Musik sollte nicht nur präsentiert, sondern auch transportiert werden
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Ich möchte nicht abstreiten, dass ich eventuell etwas zu pingelig oder einfach nicht Fan genug bin, um die gegebenen Makel zu übersehen. Technisch, stimmlich und musikalisch möchte ich jedenfalls trotz meiner Kritik weiterhin bestätigen, dass Ryan Adams ein begnadeter Künstler ist und bleibt, auch auf der Bühne. Allerdings überlässt er als „Überprofi“ eben nichts dem Zufall und jegliche Überraschungsmomente blieben aus, was wohl auch Grund dafür war, dass er auf der Bühne nicht überzeugt hat. Da hat auch kein hipper „Überraschungs-Satan“ mit Tamburin geholfen.
Es gehört, wie ich finde, einfach irgendwie etwas Aufregung, reichlich Leidenschaft, Authentizität und Spontanität dazu, um Musik nicht nach Skript zu präsentieren, sondern sie stattdessen zum Publikum zu transportieren und bei der Zuhörerschaft Gänsehaut und ein erfülltes, emotionales Konzerterlebnis zu erzeugen.
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Happy End – Ein Encore ließ auf sich warten
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Als dann nach zwei langen Konzertstunden und einer kurzen Verabschiedung durch Ryan das Licht anging und die Backgroundmusik wieder einsetzte, verschwand jedenfalls bei mir die Gewohnheitserwartung, dass es ein Encore geben würde. In diesem Punkt sollte ich allerdings eines besseren belehrt werden und so kam er nach etwa 2 ½ Minuten doch nochmal gemächlich samt Band auf die Bühne und verabschiedete sich „anständig“, indem er den Publikumsliebling „Come Pick Me Up“ zum Besten gab und damit endlich auch einen emotional anmutenden Konzertmoment lieferte. Wie heißt es doch so schön: Das Beste kommt zum Schluss.
Wer mehr über Ryan Adams erfahren möchte, darf sich gerne meine ausführliche Konzertankündigung durchlesen.