Zeit für ’ne Bratwurst: Kaleo live im Tanzbrunnen Köln | Konzertbericht

Kaleo Konzertbericht Köln MUSIKMUSSMIT
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  • Beitrag zuletzt geändert am:9. Dezember 2018
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Konzert am 19. Juni 2017 im Tanzbrunnen Köln | Support: IAMJJ
Text und Fotos: Julia Silko

Ich bin bestens auf dieses Konzert vorbereitet, denke ich am Vormittag noch: Im November durfte ich Kaleo schon einmal live im Lido Berlin sehen und war begeistert. Eigentlich kann das hier heute Abend nur gut werden. Ich werde eines besseren belehrt.

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Support IAMJJ und die Melancholie

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Ein älterer Mann mit Bratwurst in der Hand und Neonsneaker an den Füßen schiebt sich an mir vorbei. Der Tanzbrunnen in Köln läuft vor Festivalstimmung leicht über und mit ihr scheinen die ersten Mädels ihre H&M Coachella Kollektion vom letzen Jahr im Kleiderschrank wiedergefunden zu haben. Wie passend.
Den Anfang macht dann der junge Singer/Songwriter IAMJJ aus Dänemark. Seine Wurzeln hört man ihm an: Skandinavische Melancholie liegt wie ein Film über Songs, die an Nick Cave und Tom Waits erinnern. Zuweilen scheinen ihn die Traurigkeit seiner eigenen Musik zu überwältigen, zu zäh wirken Songs wie „Bloody Future“ vor dieser leichten Kulisse. Gut, dass er seine Mitmusiker mitgebracht hat: Gemeinsam werden die Songs etwas lockerer, am Ende hat der 23-Jährige sogar ein Lächeln für sein Publikum übrig.

 

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Zu viele Handys, zu viel Beliebigkeit

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Nach kurzer Umbauphase betreten Kaleo die Bühne und beginnen den Abend mit ihrem Hit „I Can’t Go On Without You“. Sämtliche Menschen um mich herum nehmen dies nun als Anlass, doch endlich mit der Produktion ihres 45-Minuten Konzertmitschnitts zu beginnen. Leider versperren einem ziemlich schnell zahlreiche Handys die Sicht und bald auch die Lust, überhaupt noch hinzuschauen: Mit großer Beliebigkeit spielt die Band ihre Songs herunter. Ich bin sehr verwundert.

Viele Fragen geistern mir spontan durch den Kopf: Wie schafft man es innerhalb von 7 Monaten vom kleinen Lido zum 10-Mal so großen Tanzbrunnen aufzusteigen? Und wie konnte das Ganze so schnell vom Musiknerd-Geheimtipp zu Sunrise-Avenue-Beliebigkeit und Opas mit Bratwurst in der einen und Handy mit zu viel Speicherplatz in der anderen Hand kommen?

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Nun, zum einen passt Kaleo mit ihren schwermütigen Songs gut in den aktuellen Bluestrend, von dem auch schon Künstler wie Rag’n’Bone Man profitieren konnte. Zum anderen dürften die vielen Radiosender, die Hits wie „I Can’t Go On Without You“ oder „Way Down We Go“ großzügig in die Heavy Rotation inkludierten, das Ihrige getan haben. Es ging dann mit dem Erfolg doch erstaunlich schnell. Leider merkt man der Band die daraus resultierende Überforderung und ihre Schüchternheit ein bisschen an. Sänger Júlíusson braucht ziemlich lange zum Warmwerden, tatsächliche Interaktion mit dem Publikum bleibt aus. Da hilft auch der nette junge Herr, der den Fransen-Westernjacken-Countrylook des Sängers durch seine Mundharmonika unterstreicht nicht viel. Wirklich Bock scheint irgendwie nur der Gitarrist zu haben. Sorry Kaleo, aber der Funke, der im November noch voller Übermut, Kreativität und Coolness mit Leichtigkeit von euch aufs Publikum übergesprungen war, er fehlt mir an diesem Abend.

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Das Potential ist da, die Magie an dem Abend nicht so

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Lediglich in den wenigen ruhigen Songs kommt die Stimme, diese kratzige Wahnsinnsstimme von Júlíusson in ihren Höhen und Tiefen zum Ausdruck und ihr wird Platz gelassen, das Publikum einzufangen und mitzunehmen. Bei „Vor í Vaglaskógi“  ist sie kurz da, die Magie, und lässt einen schwach erahnen, zu was die Band alles im Stande gewesen wäre. Die Handys gehen für diese Augenblicke kurz nach unten. Zu unbekannt ist dieser Song. Wenn man den noch nicht im Radio gehört hat, muss man ja schließlich auch nicht die Gigabytes auf dem Handy dafür opfern. Kennt ja hinterher eh keiner.

Auch wenn ich meine Enttäuschung nur schwer verbergen kann: Die Location unter freiem Himmel und der fantastisch abgemischte Sound dämpfen die Handy-Bratwurst-Enttäuschung ein bisschen. Ein schwacher Trost, aber immerhin.

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Julia

Musik ist für mich Enthusiasmus und Eskapismus, meine erste Liebe, schwierig, eigensinnig, Lebenssinn und überlebenswichtig, krass und manchmal ätzend. Ein bisschen wie das Lametta auf dem Tannenbaum, das Frettchen im Bällebad und das Kokos am Raffaelo. Mit Ohren voller Skepsis friste ich ein Dasein zwischen Hiphop, RnB, Bluesrock und Pop. Wenn ich mich nicht gerade mit Musik aufhalte, darüber schreibe oder lästere, bin ich mit Studieren, Lesen oder Sport beschäftigt.

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