Konzert am 29. Juli 2017 in der Wuhlheide Berlin | Support: Hayiti + Icke und Er
Text und Fotos: Friederike Suckert
Groß gedacht.
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Eine „Deichkind Open Air Tour“, das klingt so logisch wie Schnapseis auf einem Festival: die Leute werden die Bude einrennen. Spätestens am S-Bahnhof Wuhlheide war klar, dass es so kommen würde: Massen in Neon schoben sich zur Venue, manch eine_r gut vollgetankt.
Endlich bei der legendären Freilichtbühne gelandet, war die Stimmung locker: Hayiti hatte schon mal angefangen und Icke und Er machten gerade weiter. Richtig geil, zumal sie ja eigentlich letztes Jahr ein Abschiedskonzert gegeben hatten? Das finde ich persönlich ja dann befremdlich, denn die Wuhlheide ist ja nun auch nicht irgendeine Indie-Klitsche, in der man ja mal wieder antesten könnte, ob man zurück ins Business will. Aber okay, die Menge hatte Spaß. Während ich mit den anderen Fotograf_innen darauf wartete, in den Graben geholt zu werden, hatte ich einen guten Blick über das Publikum und das war wirklich sehr gemischt: da drei Punks, dort ein flotter braun gebrannter Junggebliebener mit einer LED-Sonnenbrille und hier viele blonde Frauen, die auch auf dem Coachella stehen könnten. „Nicht unbedingt die Leute, mit denen ich Bier trinken gehen würde, aber auf dasselbe Konzert“, denke ich so bei mir, da rasten alle gemeinschaftlich zu „Killing In The Name Of“ (Rage Against The Machine) aus. Das war ganz schön toll, da musste ich sehr streng schauen, damit mir bloß niemand die Rührung ansieht.
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…ein bißchen Glitzer Glitzer.
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So gegen 21.20 Uhr ging die Show los. Du meine Güte, fahren die Jungs auf! Spacige Kostümchen, riesige Gehirne -das von Ferris muss von Daft Punk getragen werden-, schnelle Wortfolgen und im Hintergrund ordentliches TamTam. In nahezu perfekter Choreo hat sich meine neue Lieblingsboyband im sich stets schnell wechselnden Bühnenbild bewegt. Das war ganz schön gut und sah natürlich mit dem ganzen Laserglitzerkram im Dunkeln großartig aus.
Manchmal dachte ich: Hm, so’n bißchen cultural appropriation haben sie sich aber auch nicht nehmen lassen: als Samurai verkleidet oder mit einem Beduinen- ähnlichem Outfit, aber alles eher futuristisch. Aber dann wurde auch schon das berühmte Fass reingerollt: Die Herren in ihren legendären „Refugees Welcome“-Jogging-Zweiteilern (ich will das auch haben!) und eine riesige Flagge auf der NO RACISM NO SEXISM geprintet ist. Die Typen sind so cool, die ziehen ihre politische Meinung bei allem Spaß-Pop durch und glaubt mir, Leser_innen, ich hab ein paar gesehen, die mit Sicherheit nicht dieselbe haben. Es war nämlich so, dass eine junge person of color beim Rausgehen die Security gefragt hat, ob sie nochmal runter vor die Bühne kann, was die Security verneinen musste und da hat eine unfassbar sympathische Dame neben mir getuschelt: „Ist wohl besser so, der hat ja eventuell ein Messer bei.“ Saukomisch. Da frage ich mich schon, ob sie verstanden hat, was da zehn Minuten in die Luft gewedelt wurde? Hat mich wirklich von meiner „We Are The World“-Wolke geholt.
Knappe zwei Stunden ging das Programm, alle großen Hits wurden gespielt und die Leute fandens einfach nur geil. Überall wurde gesungen, getanzt und der Moshpit kam auch nicht zur Ruhe. Krone der Eskalation war natürlich „Remmi Demmi“ und ein gut gebauter Herr, der mit einem knappen Schlüppi bekleidet in einem Planschbecken durch die Menge gehoben wurde und Federn geworfen hat. Was für Bilder! Der komplette Abriss.
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Das letzte Hemd fürs Konzert hat gelohnt.
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Mein Fazit nach dem Spektakel ist: aus denen ist ja wirklich was geworden. Ich meine, diese Show war einfach wirklich unglaublich gut! Und das für 45€! Jut, die hab ick nich bezahlt, aber meine Freund_innen der leichten Unterhaltung und die waren wirklich sehr glücklich. Tja, muss ich da anerkennend nicken, ihr Knalltüten seid aus Euren Mülltüten rausgewachsen und ich gönne es Euch wirklich sehr und grad Typen wie ihr sollten im Mainstream sein.
Wer jetzt also noch zögert, ob er am 5. August 2017 in Mönchengladbach oder am 25. August 2017 in Hamburg in zugreifen soll, dem gebe ich jetzt ein strenges: „Mache!“ mit auf den Weg. Hier geht´s zu meinem ausführlichen Deichkind-Vorbericht und den Konzertdaten.