Es wird bzw. wurde Zeit, dass auch die letzten Fans verstehen, dass er nicht Musik macht, um das Publikum aus 2011 zufriedenzustellen (…).
Ben Howard am 06. Juni 2018 live im Admiralspalast Berlin
Text und Fotos: Katha Strophe
Inhalt
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Neues Album – neues Glück
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Fast vier Jahre ließ Ben Howard seine Fans zappeln. Am 1. Juni 2018 war es nun endlich so weit: sein neues Album „Noonday Dream“ wurde veröffentlicht. Wer sich ausschließlich auf altbewährte zarte, melancholische Töne hoffte, dürfte mit der musikalischen Neuschöpfung von Ben Howard eher weniger zufrieden sein. Ganz anders ist es irgendwie, sein neues Album. Aber wer sich erinnert: eine ähnlich radikale musikalische Metamorphose kennen wir eigentlich schon von Bens zweitem Album.
Sein Debüt-Album in 2011 überzeugte viele mit harmonischen Klassikern wie „Only Love“ oder „Keep Your Head Up“ und trug schnell zu einer wachsenden Fangemeinde bei. Er schien geboren, der Ben-Howard-Sound! Als dann jedoch 2014 sein zweites Album „I Forget Where We Were“ herauskam, auf dem er deutlich düstere, experimentelle Töne anschlug, waren so manche Fans verwirrt, andere enttäuscht und wieder andere überaus begeistert von dieser überraschenden Transformation.
Vom verspielten „Upbeat-Folk“ des ersten Albums ist auch auf der neuen LP „Noonday Dream“ ebenfalls nicht mehr viel zu hören. Ben ist musikalisch gewachsen und hat uns daran teilhaben lassen – zum Glück! Es wird bzw. wurde Zeit, dass auch die letzten Fans verstehen, dass er nicht Musik macht, um das Publikum aus 2011 zufriedenzustellen, sondern wohl eher, um Ausdruck zu finden für das, was ihn die letzten Jahre seit der letzten Veröffentlichung umgetrieben hat. So finden sich auf dem neuen Album teils noch lautere und experimentelle Töne. Seine Akustik-Gitarre kommt dabei (natürlich) auch vor, spielt aber in der Tat eher eine Nebenrolle. Spätestens bei seinem Live-Auftritt wurde auch deutlich warum…
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Ein überwältigender Live-Auftritt
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Acht, mitunter sogar neun weitere Musiker_innen unterstützen Ben auf der Bühne und kreierten zusammen ein überwältigendes Volumen an Tönen und eine euphorische Atmosphäre. Zwei Schlagzeuger, Streicher, Elektro-Gitarren und Bass und diverse Keyboards und Synthesizer sowie eine fein ausgetüftelte Video-Installation auf mehreren Leinwänden sorgten von Anfang an für ein Gänsehauterlebnis.
Während ich persönlich sehr ungerne auf große Konzerte gehe, war der Berliner Admiralspalast eigentlich schon fast wie geschaffen für Ben und seine Band. Licht und Tontechnik liefen wie geschmiert, wobei allerdings Bens Stimme insbesondere bei den lauteren Tracks im Sound-Getümmel ein wenig unterging. Abgesehen davon passte aber einfach alles – was ich so bei größeren Konzerten bisher selten bis nie erlebt habe. In seiner 1,5-stündigen Show mischten sich neue mit alten Songs und ließ auf allen mir ersichtlichen Gesichtern ein wohliges Lächeln zurück.
Es war bewegend zu spüren wie bescheiden er als Musiker trotz seiner offensichtlichen Genialität zu sein scheint. Sein erstes Wort lautete „Dankeschön“ und im Rest der Show folgten eigentlich wenige bis keine weiteren Kommentare von der Bühne aus. Was vielleicht von manch einem Fan vermisst wurde, fand ich persönlich genau angemessen. Seine Musik allein spricht Bände und bedarf eigentlich keiner Erklärungen – genügend Mut zur eigenen Interpretation vorausgesetzt.
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Die musikalische Reise geht weiter
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Ja, sein neues Album ist andersartig. Es braucht ein paar Anläufe, um sich in die Studio-Version reinzuhören und um zu verstehen, dass es unsinnig ist, in seinen neuen Songs vergeblich nach alten Sounds zu suchen. Ben Howard hat den Mut seine Musik unabhängig von Erwartungen und Stilrichtungen zu erschaffen. Ähnlich wie zuletzt z.B. auch Bon Iver scheint er an einem neuen Wendepunkt seiner musikalischen Transformation zu stehen. Schön zu wissen, dass er vorwärts geht, Neuland finden wird und hoffentlich auch mit dem nächsten Album wieder ein völlig neues, ideelles Mitbringsel von seiner musikalischen Reise mit uns teilen wird.
Tourdaten Ben Howard 2018
27.11.18 München, Zenith
30.11.18 Köln, Palladium
03.12.18 Hamburg, Sporthalle
Wer kommt sonst noch auf Tour? Das verraten wir euch hier.