„Ein hoch auf den Pop und die Pop-Kultur im Ganzen, denn sie ist politischer als das Klischee behauptet.“
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Seit letztem Jahr gibt es das feine Pop-Kultur-Festival, das mit Lesungen, Talks und Konzerten so ziemlich alles anbietet, was es rund ums Thema Pop zu beachten gibt. Auch die Workshops rund ums Bloggen, Producing, Marketing und das Musik machen sind ein Bestandteil und ich durfte auch in diesem Sommer wieder mit 249 anderen aus aller Welt mitmachen. Meinen Vorbericht bzw. meine Empfehlungen könnt Ihr hier nachlesen.
Gespaltene Meinungen in Hipsterhausen
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Das alles fand in diesem Jahr in Neukölln statt, was ein wenig Unmut provozierte, denn schließlich wurden ja keinerlei Neuköllner Künstler_innen ins Programm genommen, der Senat „schieße nur Geld in den Mainstream“ – so die Veranstalter_innen des Parallelfestivals „Off Kultur“. Im Programm des Off-Kultur Festivals habe ich wiederum kein_e einzigen Neuköllner Künstler_in wiedergefunden, den/die ich kenne. Ein Teil der Off-Kultur fand in der Bar „Das Gift“ statt, die einem Mitglied von Mogwai gehört und nun kommen wir zu dem Punkt, der mich wirklich nervt: Mogwai haben am 30.08.16 das Pop-Kultur Festival mit der Aufführung ihres wunderschönen Albums „Atomic“ im Admiralspalast eröffnet und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie das nicht kostenlos gemacht haben. Das passt für mich irgendwie nicht zusammen.
Es ist nun mal so, dass die Stadt Berlin viele Jahre nichts für moderne Musik gemacht hat und nun gibt es endlich mal einen Ansatz, auch durch das Musicboard Berlin. Ich denke, die Entscheidung für Neukölln fiel nicht aus Image-Gründen, sondern weil das Berghain schlichtweg zu teuer war und eventuell auch zu klein für die vielen Angebote. Und von der Gentrifizierung Neuköllns durch ach-so-arme Künstler_innen aus Großbritannien, Schweden, Frankreich und etc. fange ich mal gar nicht an, denn viele Berliner_innen mussten einfach weichen, denn sie können finanziell einfach nicht mithalten. Ich bin für jeden kreativen Input und neues Festival, dafür lieben wir Berlin. Aber dann doch bitte mit weniger Arroganz und Entscheidungsgewalt, wer denn jetzt Neuköllner_in ist und wer nicht. Wir sind hier eine große Familie und auf der Welle der Missgunst sollte man nicht reiten. So. Ansage von einer Berlinerin.
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Mainstream ist auch schön.
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Das Angebot war, für meinen Geschmack, super. Klar, bißchen Mainstream ist immer, aber es war guter Mainstream. Keøma, Roosevelt, Brandt Brauer Frick und viele andere haben das Huxleys bespielt.
Am Besten fand ich jedoch den Abend mit The KVB, Zola Jesus und The Thurston Moore Band.
The KVB sind ein sehr düsteres Elektropunk-Duo aus London mit riesigen Videoprojektionen vom weißen Rauschen und Bildstörungen. Und so sah das Publikum auch aus: hier und da ein Samtmäntelchen, schwarz getuschte Augen und auch andächtige Traurigkeit. Ich hätte auch bei The Cure stehen können, ich fand es großartig. Die Band lege ich Euch ans Herz, das ist eine ganz epische Mischung aus Synthie und E-Gitarre.
In die richtige Stimmung gebracht kam dann Zola Jesus in einem roten Kleid, die langen schwarzen Haare vorm Gesicht. Auch nicht gerade ein Sonnenschein, aber zu dieser Stimme passt jetzt auch keine Ballermann-Hymne. Manchmal hat Zola das Mikro weggezogen, weil sie ja wusste, dass es laut wird und trotzdem hat es ordentlich gescheppert. Diese kleine düstere Person war auch manchmal verstörend, sie kugelte gern mal auf dem Boden, zuckte mit den Armen in der Luft und stand auch mal theatralisch mit dem Rücken zu uns. Durch das harte Licht, das von hinten auf sie fiel, hatte das schon fast was pastorales. Gebrochen hat sie diesen entrückten Eindruck nur durch ihre kurze Ansprache: „Hello Berlin! You always have been here and will be, we’re family!“
Man möchte sie schon ein wenig beschützen. Den größten Effekt erzielte sie aber mit ihrem Spaziergang durch das Publikum: sie ist höchstens 145cm groß! Woher kommt dieses Stimmvolumen? Die Security-Guards waren nervös und der blöde Typ vor uns, der immer nur aufs Handy geguckt hat, hat ziemlich verwirrt aus der Wäsche geschaut als er sie nicht auf der Bühne finden konnte. Den besten Lacher bescherte mir aber der Kerl, der auch grad aufs Handy starrte und auf einmal bemerken musste, dass da eine sehr kleine Frau mit einem Mikro neben ihm stand. Das war so toll! Es sei hier auch mal angemerkt, dass viele Leute nicht wirklich konzentriert waren, vielleicht hatten sie eh Gästelistenplätze. Diese Unruhe fand ich ätzend, denn manch einer hat ordentlich Kohle gelatzt und sich auf den Abend gefreut.
Ich würde jederzeit wieder auf ein Konzert dieser Frau gehen, sie hat ein wohliges Maß an Deprimiertsein. Eine Konzertgängerin hat es richtig erwischt: sie stand da unter Tränen und konnte dem Begleiter nicht erklären, warum sie grad nicht weiß, wo oben und unten sind.
Leider ist sie gerade in eher in den USA und Australien unterwegs und es nicht absehbar, wann wir etwas Neues von ihr hören werden.
Beim Umbau zur Thurston Moore Band änderte sich auch das Publikum. Thurston Moore hat Sonic Youth gegründet und so entschwanden die Samtkutten den ausgewaschenen Gitarren-Band-Shirts. Das war dann auch ziemlich geile Mucke, er hat es einfach drauf. Die Menge war sofort begeistert, die Grunge-Fans wippten andächtig mit den Füßen und nickten mit den Köpfen. Leider fand Herr Moore sich selbst auch ganz schön super und das hat mir keinen Spaß gemacht. Ich war aber auch sehr müde.
Der Vortag war nämlich lang, neben den Workshops war ich unter anderem bei der Lesung von Matthew Herbert im Passage Kino. Leider war es sehr leer und das tat mir wirklich leid, denn Matthew Herbert ist ein wichtiger Teil der Pop-Kultur und generell ein musikalischer Innovator. Sein Buch „The Music“ kann man aber durchaus eher als gedankliches Experiment bezeichnen. So soll man sich das Geräusch von 16000 Kühlschränken vorstellen. Oder die Stille nach schrecklichen Situationen wie einem schlecht gelaufenem Date, einem Unfall und all solche unangenehmen Dinge. Das Ganze dauerte vielleicht 20 Minuten, aber es war sehr spannend. Wie lang er wohl all die Erfahrungen und Vorstellungen gesammelt hat?
Danach bin ich wieder rüber ins SchwuZ, da gab es so großartige Acts wie Immersion, Fischbach und die von mir sehr verehrte Fatima Al Qadiri. Die Kubanerin ist ja nicht einfach DJ, sie ist mehr so eine Soundtüftlerin. Sie hat es aber tatsächlich geschafft, ordentlich Wumms in ihre, meiner Meinung nach eher verkopften, Sachen zu bringen und der Saal hat gekocht. Hat Spaß gemacht und hoffentlich kommt bald ein neues Set, ihr letztes Album „Brute“ ist fast schon ein neuer Klassiker.
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Und wie fand ich es nun?
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Ich fand es einfach toll! Die Workshops wurden von tollen Journalist_innen geführt und ich habe mich sehr mit Popkritik und dem Bloggen an sich beschäftigt. Ist alles nicht so easy, aber dranbleiben.
Auch der Eröffnungstalk am zweiten Tag mit Jon Savage, einem Londoner Autor und Punk-Urgestein war genial. Der Herr hat eine Meinung und auf der beharrt er. Den Brexit sieht er auch als Katastrophe für die jungen Leute, die eingeschränkt werden in ihrem Schaffen.
Also, ich sage: ein hoch auf den Pop und die Pop-Kultur im Ganzen, denn sie ist politischer als das Klischee behauptet.