(…) und da spielt ein vollbärtiger Schafhirte seinen neuen Song, alle staunen und du spürst direkt, dass dieser Track großartig ist.
Text und Interview: Yvonne Hartmann | Foto: Ana Maria Trabulo
“Es gibt schon zuviele Mark Fosters auf dieser Welt.” Ein Statement, das weder abgehoben noch abwertend gemeint ist, aber Jaime’s Drang nach neuen Sounds, Kreativität und Genre-befreiter musikalischer Entfaltung auf den Punkt bringt.
Jaime – das sind Vollblut-Drummer und Produzent Joe Styppa und DJ Mitsch, die sich mit ihrem epochalen, experimentellen Sound und eruptiver Klangwucht ihren eigenen Weg durch den Musik Dschungel suchen und sich damit in diesem Sommer auf so manchem Festival zu echten Afterhour-Headlinern entwickelt haben.
Vor ein paar Monaten haben sie ihre Debüt-EP „Levitate“ – u.a. auf Kassette – veröffentlicht. Wir verlosen drei dieser Prachtstücke!
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Bei einem Pläuschchen haben uns Joe und Mitsch mehr über ihren kreativen Sound, die gerade erschienene EP “Levitate” und das schöne Allgäu erzählt:
Hi Joe und Mitsch! Ihr mischt ja schon seit einiger Zeit zusammen nicht nur das Allgäu auf, wie ist Jaime entstanden? Kanntet ihr euch schon vorher?
Joe: Jaime ist eigentlich eines von vielen Projekten, welche wir gemeinsam beackern. Definitiv das größte und intensivste, doch es entstand vor allem durch unsere Arbeiten an anderen Baustellen. Vorweg muss man sagen, dass wir schon lange vor der Entstehung dieses Duos befreundet waren, daher war Mitsch schon immer mein Ansprechpartner, was grafische Arbeiten für all meine anderen Bands anging. Vor zwei Jahren haben wir dann unser erstes Video zur Single „Home“ gedreht. Hier geschah alles gleichzeitig. Wir haben uns einige Tage in der Bude von Mitsch’s Oma eingeschlossen und an der Musik und den Video-Ideen gefeilt. Dann haben wir den Track fertig gemacht, hundertmal live durchgespielt und dann aufgenommen. Zu Beginn der Session war uns noch gar nicht bewusst, was wir da gerade anstellen. Wir wollten eigentlich nur mal wieder gemeinsam aus unseren vier Wänden und ein bisschen Sound schrauben. Während wir das taten entstand Jaime und es entsteht immer noch. Jedesmal, wenn wir uns im Studio einschließen, gibt’s neue Ideen zur Soundästhetik, Graphics, Videos und der Live Umsetzung. Wir fangen gerade erst an und weil wir in diesem Projekt sämtliche im Business etablierte Regeln über Bord geworfen haben, gibt es jeden Tag gefühlt 1000 neue Wege, die wir gehen können.
Ihr seid laut eigener Aussage sehr heimatverbunden? Was liebt ihr besonders am Allgäu?
Mitsch: Zuallererst mal die Landschaft. Wälder und Berge vor der Haustüre sind nicht selbstverständlich und, egal welche Jahreszeit gerade ist, bin ich jedes Mal aufs neue begeistert wenn ich dort unterwegs bin. Allgäu bedeutet für uns: runterkommen, Energie tanken und das Leben genießen. Es sind eben einfach viele Sachen die es so lebens- und liebenswert machen – die Leute, die Mentalität, aber natürlich auch das Essen… dahoim isch oifach schee!
Ihr mischt mutig und ungehemmt verschiedenste Musikrichtungen von Hip Hop über Pop bis Trap. Wie würdet ihr selber eure Musik beschreiben?
Joe: Ich denke, am besten packt man uns in den Topf „Electronic Music“. Klar, das ist ein enorm breites Spektrum und man ist genauso schlau wie zuvor, jedoch weiß man nun schon mal, wo sich wirklich jeder Track von uns genremäßig aufhält. Da wir jedoch von sehr poppigen, fast schon EDM-vibigen Songs bis hin zu experimentellen Indie-meets-Trap-Tracks alles im Gepäck haben, muss man die Stücke eigentlich fast als einzelne beschreiben. Die Soundästhetik ist jedoch immer die gleiche. Viel warme, aber auch durchsetzungsstarke, höhenlastige Akustiksounds treffen auf sphärische, aber auch schiebende Synths. Dazu kommen markante Drums, welche den Zeitgeist treffen.
Oben drauf, jedoch auch oft eher im Hintergrund, setzen wir sehr speziell effektierte Vocals. Manchmal mehr Bon Iver Style, manchmal samplemäßig zerschnibbeld, gepitcht und wieder zusammengesetzt. Diese ganzen Gesangsstimmen behandeln wir häufig eher wie ein Instrument, was natürlich die Bedeutung des Textes keineswegs mindert. Soll nur heißen, dass wir dieser Komponente nicht ganz so viel Platz im Mix geben, da wir diesen immer wieder für andere Elemente benötigen.
Ja und ganz wichtig ist, ich stehe tierisch auf Features. Ich denke, gerade weil wir eben nur zu zweit sind, ist es doch sehr nützlich, einige Meinungen und vor allem kreativen Input von außen an uns ran zu lassen. Durch die Zusammenarbeit mit anderen Künstlern kommen dann hier und da ganz neue Nuancen, Farben und kreative Denkweisen mit in die Produktionen.
Das alles plus unsere zwei stets nach Neuem suchenden Weirdo-Dickköpfe, lässt Jaime so klingen, wie es klingt und macht es gleichzeitig so schwer definierbar.
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Gibt es Genres, die euch besonders geprägt haben? Joe, du hast z.B. mal Hardcore-Songs produziert. Ist von der Leidenschaft noch was übrig?
Joe: Ja, definitiv, dieser „Prägung“ kann man sich als Musiker glaube ich gar nicht entziehen. Die Hardcore und Mathcore Szene hat mich zu meiner Schulzeit enorm beeinflusst. Produziert habe ich damals noch nicht, doch mein ganzes Drumming hat sich durch verschiedenste Einflüsse in eine sehr spezielle Richtung entwickelt. Für diese Mathcore Geschichten braucht man eine gute Unabhängigkeit und muss ´ne top Energie liefern. Als ich dann mit 18 in das HipHop Game eingetaucht bin, ist mir das nur zu Gute gekommen. Doch natürlich trommel ich ganz anders als andere Kollegen, welche sich z.B. nur mit diesem Genre oder ausschließlich dem Pop Drumming befassen. Das liegt sicherlich auch daran, dass ich sehr viel produziere.
Ich war schon immer ein Mensch der seine Scheuklappen ganz locker sitzen hatte. Heute kann ich mich für nahezu jedes Genre begeistern. Wenn der Song oder das Stück mich in irgendeiner Weise emotional catcht, feier ich das. Die aller besten Tracks muss man lange suchen, sie laufen selten im Radio. Man kommt in ein Pub mitten im schottischen Nirgendwo und da spielt ein vollbärtiger Schafhirte seinen neuen Song, alle staunen und du spürst direkt, dass dieser Track großartig ist. Womöglich ist er jedoch nur an diesem einen Ort, zu diesem Moment und mit diesen Pubgästen großartig. Manchmal reicht ein solcher Moment um einen zu prägen. Deine musikalische Denkweise, dein Umfeld und die unzähligen kleinen Prägungen machen dich zu dem Künstler, der du bist. All die Leidenschaften, die man in der Vergangenheit hatte, verfliegen nicht, auch wenn man sich gar nicht mehr mit ihnen auseinandersetzt. Sie bleiben in dir, ohne dass du es merkst.
Mitsch: Dass besonders ein Genre prägend für mich war würde ich nicht sagen, alles, was ich gerne höre und gehört habe, prägte meinen jetzigen Geschmack. Bei mir ging es phasenweise von Rock und Metal über HipHop zur elektronischen Musik. Jeder macht da glaube ich seine persönliche Entwicklung durch was Genres angeht und Joe hat das schon ganz gut auf den Punkt gebracht. Und sich auf eine Musikrichtung zu beschränken halte ich für großen Quatsch, da es so viel wundervolle Sachen gibt, die man sonst niemals entdecken würde.
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Gibt es bestimmte Künstler, die euch für eure eigene Musik inspirieren?
Mitsch: Hui, das sind leider viel zu viele befürchte ich, am meisten inspirierend aber sind Flume, What So Not, Aryay, 20syl, Dill, Flying Lotus, RJD2, Dexter und Nosaj Thing.
Joe: Für mich sind das unter anderem Flume, Jack Ü, Bon Iver, Mura Masa, Chance The Rapper, Vic Mensa, Baauer, Macklemore & Ryan Lewis. Puhhh und sicher noch zehn mehr, die mir gerade nicht einfallen.
Eure Stücke sind sehr drumlastig. Wie sieht euer Live-Setup aus? Arbeitet ihr als Ergänzung zu Joe’s Schlagzeug viel mit Drum Machines, Synths, etc.? Oder gibt es noch weitere Instrumente auf der Bühne?
Mitsch: Die Live-Show steuere ich mit der APC Mk40 II über Ableton, für Samples und Keys benutze ich das MPD 218 und für einzelne Percussions hab ich ein Drumpad. Außerdem steht mittig auf der Bühne immer noch ein extra Percussionstand, der dann über die Show immer mal wieder genutzt wird.
Joe: Jop so is das. Da ich mit der Trommelei und den verschiedensten Ansagen hart eingespannt bin, habe ich keine Hand mehr für Synths frei. Aber ich habe schon oft darüber nachgedacht welche mit einzubauen, vielleicht kommt das noch.
Eure erste EP “Levitate” ist diesen Sommer erschienen, inklusive Videos zu den Singles “Be There”, „Home“ und „Sunbeams“. Erzählt uns ein bisschen über die EP. Was erwartet uns auf Levitate?
Joe: Die EP ist super bunt, von melancholisch trüb bis hin zum gute Laune Kopfnicker findet man hier einiges, jedoch nichts so wie man es erwarten würde.
Wir haben uns hierfür sehr lange Zeit gelassen, weshalb Songs von Anfang 2016 auf Songs von diesem Jahr treffen. In dieser Zeitspanne haben wir viel an unserem Sound, der Live Show und an den ersten Videos gefeilt. Diese sehr intensive Arbeit hat auch die Arbeit an der EP beeinflusst. Einen Tag wollten wir es so, dann wieder so. Nach gefühlt fünf verschiedenen Versionen zu jedem Track hatten wir irgendwann „JAIME“ so, wie wir es haben wollten.
Ich bin tierisch stolz, dass wir es geschafft haben, hier etwas sehr eigenes zu erschaffen, eine Debut-EP, die Pop Hörer und Indie Fans gleichermaßen catchen kann. Speziell, nicht für jeden geeignet, aber eben genau für die Menschen, welche wir erreichen wollen: diejenigen, die Individuelles und Neues mit offenen Armen empfangen, Gegen-den-Strom-Schwimmer, die dezent auf spießige Attitude scheißen und ein Fick auf Meinungen von Leuten geben, die eh an allem was zu meckern haben.
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EP „Levitate“ zu gewinnen!
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Wer nun neugierig geworden ist und gerne in den Genuss dieser EP kommen möchte, schreibt uns eine Mail mit dem Stichwort JAIME an win@musikmussmit.de. Wir verlosen drei handsignierte Exemplare. Einsendeschluss ist der 31. Oktober 2017 // 15 Uhr. Es gelten wie immer unsere Gewinnspielbedingungen. Viel Glück!
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Ihr schreibt, komponiert und produziert eure Musik selbst und dreht auch die Videos in Eigenregie. Wie ist dabei die Rollenverteilung? Macht ihr alles gemeinsam?
Joe: Ich mach nix…
Mitsch: Ich auch…
Joe: Neee, wir machen tatsächlich so ziemlich alles selbst. Die ganze Live Show basteln wir komplett zu zweit. Die Produktionen entstehen alle bei mir im Studio, hier sind wir oft zu zweit, holen uns jedoch auch Feature Gäste dazu, die natürlich den Kreativprozess maßgeblich beeinflussen. Vieles schraube ich jedoch auch ganz allein zusammen. Manchmal sprudelt das so aus mir raus, und wenn Mitsch dann nicht da ist, muss das ja trotzdem festgehalten werden. Er ist dafür der Chief wenn´s um Covers oder Artworks geht.
Für die Videos holen wir uns meistens noch ein paar Kreativköpfe mit ins Studio. Da ich jedoch hier ´ne sehr genaue Vorstellung habe, mache ich immer die Direction bzw. CoDirection. Was all die eigenen Projekte angeht bin ich Perfektionist und gebe das gar nicht, oder nur sehr ungern, aus der Hand. Was wir jedoch sehr gerne abgeben, weil wir es bei all dem anderen KrimsKrams nicht mehr unterbringen. ist das Booking, das stemmt die Chimperator Live Mannschaft für uns. Einen Techniker haben wir ebenfalls im Team, da wir super pingelig sind was unseren Live Sound angeht. David ist unfassbar gut und wir haben das Glück, dass das noch nicht so viele wissen, weshalb er immer noch mit uns durch die Clubs crasht. Ähnlich verhält es sich mit Jens, unserem Kameramann, der meistens live mit dabei ist und uns mit den feinen Live Clips und dem „Sunbeams“ Video beschenkt hat.
Ihr seid bekannt für energiegeladene sowie kreative Live Shows und habt diesen Sommer auch auf einigen Festivals, z.B. dem Highmatland für Hochbetrieb auf dem Dancefloor gesorgt. Wann und wo kann man euch das nächste Mal live sehen? Ist in naher Zukunft eine Tour geplant? Oder zumindest ein Berlin-Gig?
Mitsch: Im September haben wir im Rahmen der Jäger Campus Show in Stuttgart gespielt. Weitere Informationen über Tour oder Gigs dürfen wir an dieser Stelle aber leider nicht bekannt geben, wird aber großartig. Und Berlin ist immer schön.
What’s next? Können wir uns schon auf ein JAIME Album freuen?
Joe: Yes, wir machen jetzt mit Vollgas weiter. Der ein oder andere neue Track ist schon fertig, doch da ja der EP Release noch nicht allzu weit entfernt ist, müssen wir uns erstmal sortieren und ’nen Plan stricken! Doch so ein Album klingt gut. Denke, wir tun das mal…
Sehr schön, das wollten wir hören! Vielen Dank euch beiden für das charmante Gespräch, wir wünschen euch viel Erfolg und hoffen noch viel von euch zu hören!
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