Depeche Mode: Abschlusskonzert der Global-Spirit-Tour | Review

Depeche Mode Konzert Berlin Review MUSIKMUSSMIT
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  • Beitrag zuletzt geändert am:18. Mai 2021
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Daraufhin erwähne ich schüchtern, dass das mein erstes Konzert sei. Um mich herum verstummen alle.

Depeche Mode am 25.07.18 live in der Waldbühne Berlin
Text und Fotos: Claudia Dünckmann

Es gibt Konzerte, zu denen man einfach hin muss und Depeche Mode gehört dazu. Ich bin froh, dass ich eine Karte des ausverkauften Abschlusskonzerts ihrer Global Spirit Welttournee am 25. Juli 2018 ergattern konnte und das auch noch in meiner absoluten Lieblingskonzert-Location: die Waldbühne.

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Gebratene Fangemeinde

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Bereits um 16 Uhr warte ich vor der Waldbühne in der brütenden Hitze auf den Einlass. Vermummt mit Hut und Sonnenbrille stehe ich mit den Fans vor dem Tor 1. Viele haben Regenschirme als Sonnenschutz dabei. Andere wiederum hocken sich hin neben großen Menschen und suchen ein bisschen Schatten. Mit voranschreitender Stunde wird die anfangs sorgfältig geformte Warteschlange langsam zur Menschentraube und der Druck von hinten immer größer. Ich blicke in viele rote Gesichter. Es wird immer enger und aus lauter Verzweiflung rufe ich beinahe: „Mr. Gorbachev, open this gate!“. Ich lass es aber sein.

Um 17 Uhr stürmen die Fans in die Waldbühne. Dabei wiederholt das Sicherheitspersonal wie ein Mantra die Anweisung: „Nicht rennen!“. Und als gute Bürgerin befolge ich das natürlich. Ich laufe also zur Ticketkontrolle, während hunderte Menschen im Sprint an mir vorbeiziehen. Verwundert gucke ich hinterher und frage mich: Steht da jemand mit der Stoppuhr? – „Bestzeit! Herzlichen Glückwunsch, Sie waren die/der Schnellste und bekommen ein Gratisbier!“. Dieser Gedanke veranlasst mich kurz dazu, darüber nachzudenken, mein bürgerliches Leben mal eben zu vergessen und ebenfalls loszurennen. Doch dann erblicke ich wieder die orange Weste: „Nicht rennen!“.

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They just can’t get enough!

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Ich finde ein nettes Plätzchen im Schatten im unteren Abschnitt der Tribüne. Sogleich mache ich mich mit meinem Sitzpartner bekannt. Der heißt genauso wie ich, nur eben männlich: Claudio. Was für ein Zufall. Er kommt aus Argentinien. Seine Depeche-Mode-Geschichte umfasst über 40 Konzerte in Europa und den USA. Daraufhin erwähne ich schüchtern, dass das mein erstes Konzert sei. Um mich herum verstummen alle. Die eine betätschelt mich liebevoll und wünscht mir viel Spaß. Das erste Konzert sei etwas ganz Besonderes. Ehrfürchtig blicke ich zu den oberen Rängen und ich habe da so eine Ahnung: jede_r, aber wirklich jede_r der 20.000 Fans in der Waldbühne ist wahrscheinlich ein Hardcore-Fan. Zumindest haben alle in meiner unmittelbaren Umgebung die Wiederholung, von der Wiederholung, von der Wiederholung, von der Wiederholung vom ersten Global-Spirit-Auftritt der Jungs im Olympiastadion letztes Jahr gesehen. Depeche Mode spielte insgesamt sechs Mal vor Berliner Publikum und die Songauswahl blieb fast gleich. Jedes dieser Konzerte war restlos ausverkauft. Und nun folgt wirklich das letzte Konzert. Meine Nervosität steigt.

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Grünes Schaf, blaues Schwein und rote Kuh

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Irgendwann kommen zwei merkwürdige Figuren auf die Bühne, bei denen ich mir anfangs nicht sicher bin, ob die zum Bühnenpersonal gehören oder ob die gleich anfangen werden zu singen. Als der Typ mit dem schwarzen Hemd ins Mikro brüllt, aber ich nichts höre, ist die Verwirrung perfekt. Eine Minute später kommt ein Dritter auf die Bühne – mit neuem Mikro. Das Rätsel ist gelöst: Deutsch Amerikanische Freundschaft, kurz DAF, fängt an. Aber es wird mit neuem Mikro nicht besser. Frontmann Gabi ruft uns mit aufgeknöpftem Hemd wilde Sexwörter zu. Das ganze Spektakel dauert ca. eine Stunde. Dann entschuldigen sie sich, dass sie aus Zeitgründen keine Zugabe geben können. Entschuldigung angenommen, aber bitte macht Platz für Depeche Mode.

Depeche Mode kommt um ca. 20:45 Uhr auf die Bühne. Der erste Song „Going Backwards“ ist auch der erste Titel auf dem neuen Album „Spirit“. Sie spielen andere neue Songs wie z.B. „Where is the revolution“, aber es sind die alten Hits, die die Fans animieren und schließlich die Waldbühne zum Kochen bringen. „Walking in My Shoe”, „Personal Jesus”, „Everything Counts”. Und natürlich „Enjoy the silence“. Allerdings ist der Superhit von 1990 mit einem irritierenden Video hinterlegt, in dem grüne Schafe, blaue Schweine und rote Kühe zu sehen sind. Überhaupt sind die Videos eher störend und passen nicht wirklich zur Konzertstimmung. Zum Glück zeigen sie auf den drei großen Leinwänden ab und zu die Band.

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Eine Ikone macht den Ententanz

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Mitten in diesem Spektakel tanzt Dave Gahan. Er dreht Pirouetten, schreitet im Ententanz über die Bühne, schwingt seine Hüften, streckt seinen Hintern raus und greift sich provozierend in den Schritt und bringt damit mein Trommelfell fast zum Platzen, weil die Mädels hinter mir in hohen Tonlagen schreien. Und bei dem Typ sieht alles gut aus. Ich bin fasziniert von seiner Energie, die uns alle in den Bann zieht. Dave Gahan kann sich einreihen zwischen den großen Ikonen – Freddie Mercury, Michael Jackson oder Brian Johnson.

Nach zweieinhalb Stunden ist alles vorbei. Vom ersten bis zum letzten Ton wussten die Fans, welches Lied gespielt wird und sangen alles textsicher mit. Ich habe nicht nur Depeche Mode gesehen, sondern eine Symbiose aus einer alteingeschweißten Fangemeinde und drei Herren. Beides für sich genommen wäre unvollkommen, nur zusammen macht das Sinn. Nach dem Auftritt bin ich einfach nur begeistert und sage überzeugt: CU next time! Es war mir eine Freude, Depeche Mode einmal live gesehen zu haben….wäre da nicht die blöde Flagge vor meiner Nase gewesen.

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Nationalismus macht vor Musik nicht halt

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Vielleicht ist es die Schuld der Fußball-Weltmeisterschaft, vielleicht die der aktuellen politischen Lage. Fakt ist, dass ich so viele Menschen mit Nationalflaggen bei Konzerten noch nie gesehen habe. Und dieser Trend macht mich wütend. Gerade Musik ist eine Sphäre, in der es einfach keine Nationalitäten gibt. Es ist schlichtweg irrelevant, woher man kommt. Musik verbindet Menschen und stärkt das Gemeinschaftsgefühl. In diesem (musikalischen) Raum verlieren nationale Identitäten an Bedeutung, ja werden sogar bedeutungslos. Ich hoffe inständig, dass das auch so bleibt und die Sicht auf das wirklich Wichtige frei bleibt: die Musik!

Depeche Mode live in Berlin: Setlist

Going Backwards
It’s No Good
A Pain That I’m Used To
Useless
Precious
World in My Eyes
Cover Me
The Things You Said
Insight
Poison Heart
Where’s the Revolution
Everything Counts
Stripped
Enjoy the Silence
Never Let Me Down Again
I Want You Now
Heroes
Walking in My Shoes
Personal Jesus
Just Can’t Get Enough

Claudia

"Ich bin der wonnige Widerspruch. Alle Welt ist meine Bühne. Ich breche, senge neue Bahnen; Strebe nach dem Unerreichbaren Und versuche das Unversuchte. Ich tanze zur Musik des Lebens Fröhlich und hemmungslos. Komm mit mir aufs Karussell, Schau die unzähligen Farben, Die zuckenden Lichter. Alles jubelt mir zu, dem Akrobaten ohnegleichen." (Theodora Lau)

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