Album-Kritik: “Kaleidoscope” (2021) von Honeymunch

Albumcover Kaleidoscope Honeymunch
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  • Beitrag zuletzt geändert am:28. November 2021
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Wenn aus einer Probe ein Konzeptalbum wird

Man kann sich gut die alten Klostermauern vorstellen, hinter denen diese Musik entstand und zu denen ihre Spiritualität zu passen scheint.

Genre: Spiritual Jazz, Ambient
Veröffentlichung: 05.08.2021
Interpret_innen: Honeymunch (Ralf Stritt, Andreas Stickel, Norbert Könner)
Gründung: 2001 in Düsseldorf
Vergangene Auftritte (Auswahl): Leverkusener Jazztage, Juicy Beats, Ostsee-Jazz, Jazz Rally Düsseldorf, Hildener Jazztage, Jazzfestival Mülheim, Cityjazz Festival Braunschweig

Text: Annabelle Dürr


Neun Songs, sechzig Minuten

Schon beim Blick auf die Länge der Tracks wird klar: Das neue Album der Jazz-Combo „Honeymunch“ ist keine Musik, die man mal eben nebenbei hört. Unter sechs Minuten machen‘s die drei Musiker aus Düsseldorf nicht. Und eigentlich kann man (typisch Ambient) gar nicht von einzelnen Stücken sprechen. Die 60 Minuten, die im August unter dem Namen „Kaleidoscope“ veröffentlicht wurden, sind vielmehr ein Gesamtkunstwerk in der Tradition des Spiritual Jazz: instrumental, minimalistisch, psychedelisch.

Im Kontrast zu Altmeistern des Genres wie John Coltrane, der sich auf akustische Instrumente konzentrierte, mischen Honeymuch akustische und elektronische Klänge: Das reicht von der Trompete über den E-Bass bis hin zu elektrischen Pianos (Synthesizer & Fender Rhodes). Norbert Könner, Andreas Stickel und Ralf Stritt erzeugen mit ihren Instrumenten einen Klangteppich, der ständig changiert zwischen sphärischer Verklärung und klaren Melodien.

Ein außergewöhnlicher Entstehungsprozess

Aber wie kam es dazu, dass das Trio ein derart konzeptuelles Album gemacht hat? Nach den ersten drei Alben „Solon“ (2003), „Bunch“ (2005) und „New Destination“ (2011), war es lange ruhig um die Band. Die verkleinerte und teilweise veränderte Besetzung hat musikalisch eine neue Richtung eingeschlagen. Der Verzicht auf Schlagzeug und Percussion nimmt der Musik den Drive und die Eingängigkeit, scheint aber auch den Weg frei gemacht zu haben für ein neues, experimentelles Zusammenspiel der verbleibenden Instrumente und für deutlich meditativere, um nicht zu sagen mystische Klänge.

Dieser Eindruck verwundert nicht, wenn man sich den außergewöhnlichen Entstehungsprozess von Kaleidoscope anschaut. Im Oktober 2020, als wir alle einen blöden Corona-Winter vor uns hatten, taten die drei das einzig Richtige: Sie verkrochen sich mit ihren Instrumenten in ein hübsches altes Kloster, schlossen die Tür von innen
ab und improvisierten drauflos. Der Traum einer jeden Jazz-Musikerin. Ich bin fast gar nicht neidisch. Im Interview mit MUSIKMUSSMIT beschrieb Trompeter Norbert Könner das Erlebnis so:

Das komplette Eintauchen in den Moment, in die Musik, gemeinsam auf eine Reise zu gehen und immer gleich zu schwingen, Dinge geschehen zu lassen, aufeinander zu hören und zu reagieren.“

Honeymunch, Foto: Gabi Förster

Und am Anfang war das Eingrooven

Was als erstes Eingrooven gedacht war, wurde zum Konzeptalbum. Keine der späteren Aufnahmen gefiel den Musikern so gut wie dieser erste Take, der seine Magie in der freien Improvisation entfalten durfte. Nichts war vorher abgesprochen, nicht mal das Tempo. Die Melodien entsprangen spontaner Inspiration.

Song: Kaleidoscope

Das ganze Album fließt ins Ohr der Hörerin wie ein etwas träger Fluss. Den Anfang macht „Kaleidoscope“, das Stück, das dem Album seinen Namen gegeben hat. Ein dünner, zitternder elektronischer Ton durchzieht das Stück. Über ihn legt sich ein E-Bass-Loop und später abwechselnd Melodien von Trompete und Bass. Der Puls beruhigt sich. Der Blick kehrt sich nach innen. Man kann sich gut die alten Klostermauern vorstellen, hinter denen diese Musik entstand und zu denen ihre Spiritualität zu passen scheint.

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Song: Brewster

Die nachfolgenden Stücke funktionieren nach demselben Prinzip und laden dazu ein, in die wechselnden sphärischen Klänge einzutauchen und den Alltag zu vergessen. Eine kleine Abwechslung bietet „Brewster“. Die erste Hälfte ist bestimmt von einer Trompeten-Melodie, zu der sich begleitend E-Piano und Bass gesellen. Später übernimmt das Piano die Führung mit einer beschwingten Improvisation. Es ist das schnellste und lebendigste Stück der Platte.

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Song: Dennier Verre

Das Album schließt mit „Dennier Verre“: Eine E-Piano-Melodie, mit kleineren Variationen in Schleife abgespielt, und Bass-Linien bereiten den Klangteppich, auf dem sich immer neue Trompeten-Improvisationen aufbauen. Das Album endet wie es begonnen hat: meditativ.

Ein Tipp für Ambient-Fans, die im Spiritual Jazz eher die Spiritualität als das Politische suchen.

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