Kino: Filmpremiere „Electric Bat Cave – Wave´s Not Dead!“

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Und welche Jugend begeistert sich für eine Szene, in der die Eltern mit dabei sind?

filmpremiere-waves-not-dead-mit-daniel-collettiInterviews und Foto: Friederike Suckert

Als echte Berlinerin mit großer musikaffinen Schwester habe ich viele Musikphasen mitgemacht und eine der wichtigsten war vielleicht die kurze, aber tränenreiche Gruftiphase. Die Wave-Szene ist die wohl stabilste und kreativste in Berlin, die einen aber nicht unbedingt streift, obwohl gerade die (Ost-)Berliner Punkszene sich in Teilen in diese Richtung entwickelt und eine Heimstätte im Tacheles gefunden hatte. Und so dachten wir uns, dass es einfach zu einem Berliner Musikblog gehört, auch diese schwarz-weiß-lila schimmernde Facette unserer geliebten Kulturhauptstadt zu beleuchten.

Worum geht´s in der Dokumentation?

Electric Bat Cave – das ist die Band um Daniel Colletti, Urberliner und „der deutsche Robert Smith“. Die fünf Männer dieser Band sind unterschiedlicher als man es bei einer Wave-Band erwarten würde. Javier Moya hat sie in seinem Dokumentarfilm „Wave’s Not Dead!“ an verschiedenen Orten in Berlin portraitiert. Sie gewähren uns intime Einblicke in ihre Welten, die inneren wie äußeren, und in den Enstehungsprozess ihrer Songs. Durch die besondere Farbe ist der Film auch ein einzig großer Videoclip und überhaupt auch eine Liebeserklärung an Berlin. Es ist spannend zu sehen, wie die fünf zeigen, wie sehr Musik verbindet und wie sie etwas Neues erschaffen. Ihre Musik kann man als deutschsprachigen düsteren Pop bezeichnen, der sich stark an den klassischen Dark Wave der späten 80er Jahre anlehnt und zudem musikalische Einflüsse verschiedenster Art in sich trägt.
Am 22.10.2014 um 20 Uhr feiert der Dokumentarfilm unter Anwesenheit der Band im Babylon Premiere.

So hatte ich das exklusive Vergnügen den Film „WAVE´S NOT DEAD!“ dieser Band noch vor der Premiere zu sehen und ein paar Fragen an den Regisseur Javier Moya und Daniel Colletti, zu stellen. Später gesellte sich außerdem der Keyborder Johnny the Fox hinzu. Colletti ist, wie bereits erwähnt, ein Urgestein der Berliner Wave-Szene, der noch einmal richtig durchstartet.

Interview mit: Daniel Colletti und Johnny the Fox

Ich muss ganz ehrlich gestehen: ich weiß gar nicht, wie lang es Eure Band schon gibt.
Daniel Colletti: Vor drei Jahren habe ich das Projekt „Electric Bat Cave“ ins Leben gerufen und hatte vorher meine eigenen einzelnen Projekte mit verschieden Bands wie „Cyber Camus“ oder „Regenzeit“ und hatte Nebenprojekte mit den Leuten von „Tangerine Dream“. Wir haben irgendwann so viele Konzerte gespielt, dass wir irgendwie nicht mehr zueinander gefunden haben und bei den Live-Konzerten gab es dann irgendwann das Problem, dass unser damaliger „Kapellmeister“ viel mit Backing Tracks gearbeitet hat. Und Backing Tracks ging für mich gar nicht mehr. Da habe ich beschlossen, dass ich in meinem Alter nochmal komplett neu anfange und komplett eine neue Band aufbaue. Und das war dann „Electric Bat Cave“ vor drei Jahren.

Kurz nachgefragt: Backing Track ist dann sowas wie Playback?
DC: wir spielten auf Playbacks, genau. Mir ist es sehr wichtig, live dann auch live zu spielen.

Ich habe ja gedacht, dass es aufgrund des großen Wave-Gotik-Treffens in Leipzig eher die Wave-Szene gibt oder täusche ich mich da?
DC: Du täuschst Dich durch das Festival. Einmal im Jahr findet da zwar das große Gothic-Festival statt, aber das ist ja ein Treffen von Grufties aus der ganzen Welt. In der Gothic- und Darkszene ist es schon eher so, dass wir nicht so viele Leute sind und wenn man dann einaml im Jahr in Leipzig zusammenkommt, dann sind das schon 50.000 – 60.000. Vor Jahren waren es sogar fast 200.000- 300.000. Aber mittlerweile gibt es so viele Festivals, auch wieder in Deutschland, wo sich dann auch das Publikum wieder ablöst. Das „M’era Luna“ oder das „Zillo“. Das sind vor allem Festivals, die mit dem Kommerz in Leipzig nichts mehr zu tun haben wollen. Leipzig ist halt auch über die Jahre eine kommerzielle Geschichte geworden. Und die Bands, die sie dieses Jahr im WDR und ARD wie „Umbra et Imago“ zeigen, über die haben wir ja früher schon als Gothics gelacht. Die haben sich aber trotzdem immer weiter als Kommerz- und Mainstreambands weitergeführt. Sind halt auch Playbackbands. Wir wollen ja jetzt hier nicht soviel negativ über andere Bands sprechen, aber wir haben früher über die gelacht und wir lachen heutzutage noch über die. Wir können die Band nicht ernst nehmen.

Hat sich die Gothic-Szene eigentlich auch ein bisschen durch die Emo-Welle verändert?
DC: Ja, es gab diese Welle, das waren die Grufties, die 15 oder 16 waren, die mit uns direkt nichts zu tun haben wollen, weil wir ja schon alle ein bisschen älter sind und wir auch deren Eltern sein könnten. Und welche Jugend begeistert sich für eine Szene, in der die Eltern mit dabei sind? Es gibt eine Weiterentwicklung in der ganzen Sache, es gibt auch Entwicklungen, in der man schon fragt, ob alles komplett Gothic sein muss. Aber so waren wir sowieso noch nie. Unser Film heisst ja nicht ohne Grund „Wave’s Not Dead!“, denn wir sind ja mehr so die Welle, die Waves, die, die auch mal gern ein weißes Hemd angezogen haben und die auch gerne lachen und sich über sich selbst und andere Sachen lustig machen. Wir sind die nicht so ernstzunehmenden Grufties.

Nochmal speziell zu Dir: bist Du aus Berlin?
DC: Ick bin Urberliner. Bin sogar in Berlin-Prenzlauer Berg geboren und 1986, da war ich 14, mit den Eltern nach West-Berlin übergesiedelt. So’n richtjer Halber-Halber.

Und hast Du da auch schon ein bisschen was von der Ostberliner Punk-Szene mitgekriegt?
DC: Na klar, ich hab ja schon mit elf mit Punkmusik angefangen. Meine erste Band hieß „Mach Schluss“ und schon der Aljoscha Rompe von „Feeling B“ hat mich da gepusht. Wir haben damals auch ein kleines Konzert im Prater-Garten gegeben, bei dem sie uns als lächerlich abgetan haben, weil wir ja erst so um die 12 Jahre alt waren. Aber wir sind von Anfang an rumgelaufen und haben bei den Proberäumen angehalten und reingehört, wer da so spielt. Und wenn da Jürgen Walter mit seiner Schlagerband „Schallali Schallala“ sang, dann sind wir weiter gelaufen und wenn dann „Wir haben keinen Bock mehr, hier zu leben“ kam, dann sind wir stehen geblieben und waren auch gleich dabei.

Ja, im Prenzlauer Berg waren sie ja auch alle.
DC: Ja, das war damals wirklich ein Arbeiterbezirk.

Kannst Du eigentlich von der Musik leben oder musst Du noch viel nebenher machen?
DC: Nicht, wenn ich nicht zusätzlich noch immer da und da was machen würde. Morgen spielen wir zum Beispiel auf dem „Hauptsache Schwarz-Festival“, da kommen eine Menge Leute hin und trotzdem wird die Gage wieder nicht so ausreichen, dass wir davon leben könnten. Wir können bis dato von unseren Konzerten gar nicht leben. Es ist immer nur eine Investition und ich bringe immer noch zusätzlich meine Investitionszweige mit ein, wie zum Beispiel durch meine vegetarischen Imbiss-Spezialitäten oder Merchandising oder viele kleine andere Dinge, die immer mal ab und zu da sind. Früher konnte man vielleicht von einer Sache erstmal fünf Jahre leben, in den Siebziger und Achtziger Jahren, aber in der heutigen Zeit sollten Musiker, Künstler, Maler, Schriftsteller, Kameramänner und so weiter lernen, in dieser Zeit flexibel zu sein. Man sollte auch andere Sachen machen können und nicht einfach sagen „Ich bin jetzt aber Musiker, jetzt muss das ganze Geld durch die Musik kommen.“ Wir haben mehrere Aufgaben und wir können damit zusammen was machen.

Durch das Internet hat sich eh so vieles geändert.
DC: Es ist ein riesengroße Chance den großen Industrien zu zeigen, dass wir alle das auch drauf hätten, wenn wir in einer Gemeinschaft arbeiten und diszipliniert miteinander umgehen würden.

Ich denke, dass das manchmal durch den eigenen Anspruch an die Kunst gesprengt wird.
DC: TACHELES, bestes Beispiel! 78 Menschen im Vorstand, alle streiten, streiten, streiten und am Ende wird’s an die HSH Nordbank verkauft und die sitzen seit zwei Jahren drauf und haben in diesen zwei Jahren noch nicht mal was gemacht. Das Haus verschimmelt! Mittlerweile sind nur noch zwei alte Wachleute da und da frag´ ich mich auch, warum die Kunstszene nicht in diesem Augenblick sagt: „Jetzt holen wir uns das Haus aber ganz schnell wieder zurück!“ Es kann doch nicht sein, dass die uns das Haus wegnehmen und dann zwei Jahre NICHTS veranstalten oder damit machen!!! Also: diese Zeit ist auch eine große Chance für alle, die in der Gemeinschaft was machen wollen. Die Egoisten haben es immer nur für eine Woche geschafft und danach alles zerstört.

Interview mit: Javier Moya und Daniel Colletti

Wie habt Ihr beide denn eigentlich für dieses Projekt zueinander gefunden?
Javier Moya: Ich hatte eine Dokumentation über die Graffitis in Berlin gemacht und da bin ich im Tacheles gelandet und habe dann einen der Künstler dort kennen gelernt. Ich habe Daniel zwei oder drei mal beim Kommen und Gehen gesehen und dieser Künstler erzählte mir von Daniel. Ich habe ihn dann kurz angesprochen und versucht, ein paar Bilder zu machen, aber da war er auch schon wieder weg. Irgendwann hat Daniel sich bei mir gemeldet und mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, etwas mit ihm zu machen. Natürlich habe ich „Ja!“ gesagt. Und so habe ich mich mit fünf Musikern in einer Kneipe getroffen und wir haben angefangen, alles zu besprechen. Seitdem sind ein Jahr und ein Monat vergangen.

Die Dreharbeiten fanden auch in der ganzen Zeit statt?
JM: Die Dreharbeiten waren in unserer Freizeit und wir waren alle flexibel, da wir alle kein Geld haben. Am Anfang war es noch kompliziert, da ich nicht recht verstanden habe, was sie da spielen und in welche Richtung die Band geht. so nach und nach hat die Band aber eine Richtung bekommen und dann habe ich auch eine konkrete Idee bekommen.

Habt Ihr Euch alle gut verstanden oder gab es auch mal Differenzen?
JM: Wir haben uns gut verstanden, denn wenn du kein Geld hast, dann arbeitest du auch enger zusammen.

Das ist ja das, was ich vorhin meinte: manchmal gehen trotz fehlendem Geld schon allein durch die Ansichten solche Projekte auseinander.
DC: Bei uns war Friede, Freude, Eierkuchen!

Das ist ja dann cool.
JM: Ich habe so viel von denen gelernt. Ich hab noch nicht mit Leuten gearbeitet, die kein Geld haben. Das war das erste Mal. Und auch diese Art der Musik kannte ich nicht.

Woher kommst Du eigentlich?
JM: Ich bin Kolumbianer.

Und wie lange bist du schon in Berlin?
JM: Seit 20 Jahren. Berlin ist interessant.

Durch die ganzen Künstler hier ist es ja ein weites Feld, aber Du arbeitest schon eher kommerziell, oder?
JM: Ich arbeite meistens kommerziell, aber ich mache auch künstlerische Sachen. Ich beschäftige mich mit beiden Seiten. Ich bin Fotograf und Dokumentarfilmer.

Das war dann Dein erstes Projekt in der Musik?
JM: Nein, ich habe immer viele Kontakte mit vielen Musikern, aber eher kommerziell. Aber „Electric Bat Cave“ ist mein erstes großes Projekt mit alternativen Musikern.

Interview nach dem Film

JM: Der Film geht ca. 80 Minuten, ist in HD und Dolby Digital 5.1. und hat eine spezielle Farbe. Den Filter habe ich extra für das Projekt entwickelt. Dadurch hat der Film eine gewissen Tonalität, obwohl wir in allen Jahreszeiten gedreht haben.

Dass ihr die Premiere im Babylon feiert ist ganz schön toll, das ist Euch hoffentlich bewusst?
JM: Alles, was mit der Premiere zu tun hat, macht Daniel. Eigentlich habe ich noch nicht mal an eine Premiere gedacht. Mir ist es wichtig, was danach kommt. Ich möchte den Film bei verschieden Festivals und der Berlinale anmelden. Und dafür brauche ich Geld. Es wäre ein Wunder, wenn wir auf der Premiere einen Verleih finden.

Ja, es gibt ja viele Musik- oder auch Dokufilmfestivals.
JM: Ja, aber erst mal die Berlinale.

Wo habt ihr überall gedreht? Auch um Berlin herum?
JM: Es gibt Szenen aus Zehlendorf, aber auch Helgoland.
(Alle überlegen) Aus dem „Zirkus des Horrors“, der hat hier gastiert und da durften wir dort drehen. Im KitKat-Club mit dem „Magischen Zirkel“, Grunewaldstraße, Lietzensee, Prenzlauer Berg, Zionskirche, im Probenraum in Treptow, Unter den Linden, Kreuzberg, Schlesisches Tor.

Also ist es auch ein Film über Berlin, oder?
DC: Es ist eine Liebeserklärung!

Ja, das sieht man. Noch eine andere Frage:  Eure Musik zwingt Euch, gerade Dich, Daniel, ja eh schon, sich viel mit Euch selbst zu beschäftigen. Habt ihr durch den Film und diese Fragen noch mehr über Euch selbst erfahren?
DC: Wir haben im Nachhinein festgestellt, dass wir einfach sehr gut miteinander können und uns eigentlich auch sehr ähneln.JTF: Das lag auch an Javier, der hat Fragen an uns gerichtet und man war manchmal so unvorbereitet und man stand da und musste überlegen, aber das macht den Film auch so authentisch. Mich hat das schon bewegt und zum Nachdenken gebracht.

Ja, das sieht man auch.
JM: Ich habe den Fragebogen so entwickelt, weil wir keine dritte Stimme wollten. Ich habe die Fragen unvermittelt gestellt.

War das ein fester Fragebogen an alle Mitglieder?
JM: Die Fragen waren vorbereitet. Die habe ich auf spanisch aufgeschrieben und dann übersetzen lassen.DC: Aber für uns waren die spontan.

Man merkt, dass Ihr alle musikalisch aus anderen Ecken kommt. Wie habt ihr denn zusammen gefunden? Ihr kanntet Euch?
JTF: Also, Daniel und ich kannten uns. Wir haben eine spezielle Geschichte: wir haben uns bei dem Gitarristen Marc kennengelernt. Der hat ein Fest gemacht und da ist er mit Marc aufgetreten und ich war da mit dem Schlagzeuger, Chris, den kannte ich schon ganz lang wie den Marc auch. Wir haben immer mal Sessions gespielt, aber waren nie eine Band. Und auf dem Fest haben wir dann alle zum ersten Mal zusammen gespielt. Einfach so zum Spaß. Und dann gab es ungefähr ein Jahr später einen Anruf, zur Zeit der Fete de la Musique, bei dem Marc gefragt hat, ob wir nicht mal mitkommen wollen. Und dann hatten wir zwei Proben mit Daniel und dann sind wir im „White Trash“ aufgetreten.DC: Da spielen wir auch im Dezember wieder.

Ich finde es gut, dass Ihr alle aus anderen Richtungen kommt, man merkt das und macht es auch vielschichtiger.
JTF: Ja, da kommen viele Einflüsse zusammen und da wir harmonieren und gut zusammen arbeiten, entsteht auch etwas. Es fängt ja eigentlich erst an. Wir arbeiten schon ganz fleißig an neuen Sachen und es ist ein Anfang. Musikalisch wird’s im Moment interessanter.

Könnte auch ein filmisches Langzeitprojekt werden, in fünf Jahren noch mal sehen, was sich getan hat.
DC: Wichtig ist, dass wir genauso weitermachen wollen. Vielleicht kommt nächstes Jahr auch schon das nächste Ding.JM: Es hat ja auch eigentlich mit einem Videoclip begonnen. Das war das erste Projekt und danach hatten die Jungs Lust, weiterzumachen. Und ich habe auch ein halbes Jahr Drehzeit gebraucht, um einen roten Faden zu finden. Dann habe ich nach dem Background der Musiker gefragt und so hatte ich meinen Film.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Hier findet Ihr weitere Informationen.

Friederike

In einer Höhle voller Bücher von Plattensammlern aufgezogen, sozialisiert in idyllischer Randbezirkplatte durch ABBA, Elvis und Nirvana, schulternwippend in die Kaschemmen und Tanztempel der Stadt gewankt, bin ich jetzt graduierte Popnutte. Schon immer eher Beobachterin als Macherin, frage ich, was die Entscheidung für das Künstlerleben so mit sich bringt.

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