Review – Paral·lel Festival: Du hast mich technotisiert!

Didacramirez Fotografia Parallel Festival Review
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  • Beitrag zuletzt geändert am:9. Dezember 2018
  • Beitrags-Kategorie:Festivals / Musik
  • Beitrags-Kommentare:Ein Kommentar
  • Lesedauer:9 min Lesezeit

Text: Claudia Dünckmann // Fotos: Dídac Ramírez Fotografía

Endlich war der Tag gekommen. Endlich stand ich auf dem Paral·lel Festivalgelände mitten in den Pyrenäen. Mit mir zusammen kamen auch die anderen 1000 Festivalbesucher_innen an. Nervosität lag in der Luft. Der Campingplatz war kein abgestecktes Gelände, sondern mitten in der Natur, weit und breit kein Zeichen der Zivilisation. Wir waren in der Paral·lele angekommen.

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Erster Tag

Der Festplatz war überschaubar: es gab eine Bühne umringt von Wiesen und Wäldern. Am Rande war die Bar aufgebaut. Foodtrucks aus der Umgebung verkauften lokale Spezialitäten für ca. 5 Euro. Ein Bier kostete 3,50 Euro und ist damit weitaus erschwinglicher als auf großen Festivals. Wenn einmal zu viel Bier getrunken wurde und die Blase drückte, dann waren die (Dixi-)Toiletten nicht weit. Jeden Tag wurden sie mit Toilettenpapier aufgefüllt und gesäubert, was besonders uns Frauen erfreute. Viele Sitzmöglichkeiten gab es nicht, aber bei 30 Grad mutierte die Wiese zum Riesensofa.

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Um Punkt 19 Uhr ließ Lugi Tozzi den ersten Beat erklingen. Keine Ahnung, ob ich es war. Keine Ahnung, ob es die vielen Leute aus der ganzen Welt waren – Japaner_innen, Australier_innen, Engländer_innen oder Deutsche, quasi jede_r war dabei. Sicher war, dass sich der Ort wie Magie anfühlte. Das gleiche dachte ich auch bei den Künstler_innen, die ihre Musik auflegten, als wenn sie vorher nur auf diesen einen Moment hingearbeitet hätten. Ein Blick nach oben in den klaren Sternenhimmel – mittlerweile war es Nacht – war wie ein Rausch im Berliner Club. Je länger ich der Musik zuhörte, desto mehr verschwamm sie mit der Natur. Der dunkle Bass durchdrang die Tiefe der umliegenden Wälder. Geschützt von der Natur ließen ich und alle anderen uns fallen in den hypnotischen Sounds. Das Set von Svecra, der letzte DJ und das Highlight des ersten Tages, war mit Abstand das Beste, was ich je von ihm gehört hatte. Er vollendete das, was die beiden anderen Künstler vor ihm begannen – eine elektronische Reise ins Paral·lele Universum. Er ersetzte die hohen hypnotischen Klänge mit tiefen Bässen und treibenden Rhythmen. Die Arme gen Himmel gestreckt hoffte ich, dieser Moment würde nie enden. Doch um 3 Uhr spielte er den letzten Track. Dann war Nachtruhe. Um ehrlich zu sein, hatte ich meine Zweifel, ob die Stille in der Nacht eine gute Idee sei. Heute bin ich davon überzeugt, dass es das einzige Richtige war. Die Nachtruhe gab mir die Gelegenheit, die ersten Eindrücke zu verarbeiten und Kraft für die nächsten beiden Tage zu sammeln.

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Zweiter Tag

Noch beflügelt von der Nacht zuvor, stand ich ausgeruht um 10 Uhr auf dem Festplatz, Nachtruhe sei dank. Der Tag begann mit Ambient von Guillam. Die leisen harmonischen Klänge verhalfen mir in den Tag hinein. Nur die Hitze machte mir zu schaffen. Es wurde heißer und heißer. Die Sonne brannte sich erbarmungslos in die Haut. Jede_r vor der Bühne wünschte sich einen Tropfen vom Himmel. Vielleicht war es der große Wille aller, der am Ende den strömenden Regen herbeiführte.

Jamie McCue spielte gerade einmal 40 Minuten als aus den ersten Tropfen Platzregen wurde und das Zeichen kam, dass Festival abzubrechen. Jamie kam extra aus Kanada nach Barcelona. Noch nie zuvor spielte er in Europa. Er war mein absolutes Highlight. Und nun war es nach 40 Minuten vorbei. Mittlerweile spülte der Regen die Tanzfläche weg, die komplette Elektronik musste abgeschaltet werden, einschließlich der Bar. Es gab kein Schluck Bier, kein Beat auf den Ohren und erst recht keinen Lichtschimmer am Horizont. Die Festivalbesucher_innen verzogen sich in ihre Zelte. Erst nach zwei oder drei Stunden kamen sie herausgekrochen. Immer noch hörte niemand einen Sound. Die Ungeduld wuchs. Die Leute stellten sich in Reih und Glied vor der Bühne auf, was wie eine Verzweiflungstat wirkte. Als ob die bloße Anwesenheit die Lautsprecher zum Erklingen bringen würde.

Erlösung: um ca. 22 Uhr begann Abdulla Rashim aufzulegen. Jede_r jubelte vor Erleichterung! Ich zählte die Stunden bis zum Ende – noch fünf bis wieder Ruhe einkehrt. Besser als nichts, dachte ich mir. Also entspannte ich mich und ließ mich von Abdullas Set mitreißen. Der Blonde aus dem Norden ist vielleicht nicht der größte Techniker und Mixer, wie zum Beispiel Oskar Mulero, aber er hat eine unglaubliche Vielfalt an außerordentlichen Techno-Tracks, die kaum einer kennt. Ihn zu hören ist wie eine Release-Party für ein neues Album.

Mit etwas Verspätung traf nun auch Shifted ein. Das erste Regulieren der Noppen zeigte uns eine klare Richtung für die nächsten zwei Stunden: Dunkler und harter Techno und nichts anderes.

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Die Musik war toll, keine Frage, aber zu diesem Zeitpunkt war ich entweder müde oder die erzwungene Pause machte mir mehr zu schaffen, als ich mir eingestehen wollte. Auf jeden Fall machte es nicht Klick. Auch Peter Van Hoesen sollte das nicht ändern. Techno ist eben eine ganz individuelle Sache, wo viele Faktoren für ein perfektes Set stimmen müssen. Die anderen um mich herum sahen das anders. Peter legte auf, als wenn es keinen Morgen mehr gab.

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Es erschien mir fast so, als ob religiöse (Festivalbesucher_innen) ihren Gott (Peter Van Hoesen) anbeteten. Und mit dem Zeichen des letzten Tracks applaudierten alle um mich herum. Mitgerissen von den Emotionen der anderen schrie auch ich Peter Van Hoesen zu – Zugabe!!!! Dann war wieder Nachtruhe.

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Dritter Tag

Ich verschlief den musikalischen Anfang des dritten Tages, denn die Nacht endete nicht mit dem letzten Track. Das lange Feiern hatte aber seinen Preis: die ersten beiden DJs habe ich verpennt. Doch pünktlich zum Set von Refracted stand ich wieder auf dem Festplatz. Refracted, normalerweise Alex genannt, ist ein sehr guter Freund von mir. Aufgrund des Regens am Vortag wurde sein Set abgesagt. Umso glücklicher war ich, als er da oben stand. Die Sonne stand hoch und wir ganz nah am DJ Pult. Er ist ein einzigartiger Künstler, Produzent durch und durch. Die Verbindung zwischen Natur und Techno findet sich wieder in jeder Sekunde seiner Session. Seine Musik funktioniert draußen besser als drin. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass er einer der großen Namen des Festivals war. Seine Klänge sind minimalistisch aufeinander abgestimmt und klar wie eine geputzte Glasscheibe. Jeden Moment genoss ich, mit geschlossenen Augen, den Kopf in den Nacken und wippend von der einen zur anderen Seite. Abgelöst wurde er von Cior D’or. Sie ist eine deutsche Technolegende. Liebevoll nannten wir sie Großmutter, weil sie für das Erkennen der Tracks bis 5 cm nah an den Bildschirm ihres Lap Tops ran musste (trotz Riesenbrille).

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Dankeschön!

„Coming back from Paral·lel Festival was like waking up from a dream, this morning.“ (Jacopo Severitano)

„parallel universe“ (Lorenzo Calgari)

„The fact is, I can´t do a report or review on it. Those that were there know what happened, and to those that weren´t, I would never be able to explain what it was like.“ (Nuno Mendonça)

„Paral·lel Festival was unreal. Amazing crowd, venue and super good vibrations. We had a very special time during our closing.  Thank you dancers!“ (Natural Electronic System)

Und das sind nur einige Stimmen auf der Facebook-Seite von Paral·lel Festival. Das Konzept ging auf: Weniger ist mehr! Übersetzt heißt das: praktisch keine Wartezeit vor den Bars, eine familiäre Stimmung unter den 1000 Besucher_innen und die eine Bühne bot ein musikalisches Kontinuum, dass die Musik intensiver erleben lässt. Jede_r von uns war in einem dreitägigen musikalischen Rausch. Alles ermöglicht haben das vor allem Felix Beltran, Refracted und Guillam. Sie waren die Masterminds hinter diesem großartigen Spektakel und ich denke, ich kann mich im Namen aller für diese großartige Leistung bedanken. Bis zum nächsten Mal!

Claudia

"Ich bin der wonnige Widerspruch. Alle Welt ist meine Bühne. Ich breche, senge neue Bahnen; Strebe nach dem Unerreichbaren Und versuche das Unversuchte. Ich tanze zur Musik des Lebens Fröhlich und hemmungslos. Komm mit mir aufs Karussell, Schau die unzähligen Farben, Die zuckenden Lichter. Alles jubelt mir zu, dem Akrobaten ohnegleichen." (Theodora Lau)

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