Tief Xavier versaut alles.
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Konzerte am 14. Oktober 2017 in der Werkstatt der Kulturen Berlin
Text und Fotos: Friederike Suckert
Eigentlich wollte ich zur Eröffnung des Reclaim The Beats Festivals, aber leider war ich in meinem Bezirk gefangen, überall nur Bäume und Äste im Weg. Das hat mir das Herz gebrochen, da ich mich so verdammt auf Kiddy Smile gefreut habe und eh sehr neugierig auf das Festival war. Die DJ Sky Deep hat es organisiert und es sollte Empowerment für persons of color und queers geben. Es waren viele Workshops geboten, zum Beispiel über Rassismuserfahrungen an Clubtüren und Lösungsansätze.
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Verkatert und motiviert: so geht man feiern.
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Und so machte ich mich Samstag ziemlich zerstört von einer langen Freitagnacht auf den Weg, um wenigstens AS//iS sehen zu können. Angekommen, musste ich feststellen, dass das Publikum klein (also die Zahl der Gäste), aber herzlich war. Ich weiß natürlich nicht, ob alle bei den Workshops mitgemacht haben, aber die Stimmung war sehr familiär und eine gewisse Verbundenheit spürbar. Gut, die Barfrau fand mich richtig doof, aber ein bisschen Schwund ist ja immer.
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Einer hat einen Laptop, einer viele Emotionen.
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Mit etwa 20 Minuten Verspätung kam dann das Berliner Duo AS//iS. Die Legende über die beiden Herren geht ja so: vor einem Jahr trafen sich Sänger Ahmad Larnes, Mitglied bei der Band Schwarz Don’t Crack und DJ Steffen Sennert bei einer Vernissage und dort merkten sie, schwuppdiwupp, dass sie ein artistic match made in heaven sind und ihre Talente zusammen schmeißen sollten. Sie sagten und sie taten es und schon beim ersten Track war ich so glücklich, dass sie sich gefunden und mich an dem Abend aufgerafft habe.
Larnes Stimme zu den manchmal minimalen, manchmal housigen Beats in so einer intimen Atmosphäre: beeindruckend. Schon bald gab es kein Halten mehr, alle am Dancen oder zumindest Kopfnicken. Ich hab die beiden schon beim Feel Festival erlebt, da waren kaum Menschen da und trotzdem hatte ich das Gefühl bei etwas Großem dabei zu sein. Absolutes Highlight war der Song “Raise Your Head 1.5” mit der Aufforderung “You see the haters just wont win, don’t let their energy bring you down, force yourself to be disciplined, because when you fall you have to get up again!”.
Mit dieser Empowerment-Hymne hatten sie uns alle am Haken. Natürlich gab es auch ein paar Balladen und Larnes liefen die Tränen. Nach ca. einer Stunde allerfeinstem Konzert wollten wir sie nicht gehen lassen, aber alle Songs waren gespielt. Larnes ließ sich die Gelegenheit nicht nehmen und dankte dem Festival, erzählte ihre Entstehungsgeschichte und warum er heut so nah am Wasser gebaut ist: er hat in der S-Bahn seinen Koffer verloren oder er wurde geklaut und er hatte irgendwie keine Klamotten mehr und dass er in solch einem offenen und positiven Umfeld singen und heulen durfte, war ihm sehr wichtig. So verscheppert wie ich war hätte ich fast mitgeheult. Sonst bin ich natürlich ein Eisberg. [Anmerkung der Redaktion: Lüge.]
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Eine Frau, fünf Spuren.
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Als nächster Act wurde Be Steadwell angekündigt mit den Wort: “Watch a little Schamanism” und sie zündete auch etwas Weihrauch oder ähnliches an und ich dachte nur “Och nö, bitte nicht!” Auf so Hippiekram stehe ich wirklich gar nicht, da gebe ich meine Unoffenheit zu. Riecht ja auch nicht schön. Der erste Song war dann auch “Sage (Witch Two)” und handelt von Energien und so, also eigentlich nicht meins, aber Holladiewaldfee, ist der gut. Die Künstlerin Be Steadwell beatboxt und singt live alle Loops ein und schwankt dann zwischen Spoken Word und Gesang und ihre Stimme ist der Wahnsinn.
Der Hippiefrau im Publikum hat´s wortwörtlich die Schuhe ausgezogen, sie hatte in der ersten Reihe eine verdammt gute Zeit. Be Steadwell kommt aus Washington D.C. und war das erste Mal in Berlin und auch sie fand die Atmosphäre sehr schön, sie hat aber auch einiges dazu getan. Vor jedem Song hat sie uns Fragen gestellt, ob wir diese und jene Erfahrung schon gemacht haben und es hat auch immer jemand geantwortet. Highlight war die Frage, ob Veganer_innen unter uns sind und die Hippiefrau ist in Jubel ausgebrochen und es entstand ein angeregtes Gespräch, wie sie damit lebt, warum sie sich dazu entschieden und was es für Möglichkeiten gibt.
„Animals have feelings, too!“ und Be Steadwell war eher so: „Hm, ja, der nächste Song handelt von der Entscheidung als Paar gesund zu leben, damit die gemeinsame Zeit doch recht lang wird. Veganismus ist schon radikal.“ Da hat sich die Hippiefrau ein wenig geschämt, aber Leute für ihre Essenspräferenzen zu verurteilen hatte nun wirklich keine_r im Sinne. Die Songs handelten nahezu alle von Beziehungen und Herzschmerz, aber politisch wurde es natürlich auch ein wenig, denn als „black queer woman who sings about music she’s radical“. Dass das noch besonders ist heutzutage ist ein Skandal, nicht nur in den USA.
Ich bin jetzt ein Fangirl. Hört Euch ihre Sachen an, Ihr findet sie bei allen gängigen Streamingdiensten.
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Leider muss ja alles Schöne zu Ende gehen und so wurden wir noch in die Burg Schnabel zum Queer Rave geladen, was ich aber nicht mehr geschafft habe. Veranstalterin Sky Deep gab uns noch auf den Weg, dass wir Berlin mehr Leidenschaft injizieren müssten und mehr für die Community tun müssen. Hatse natürlich recht. Und darum hoffe ich, dass ich nächstes Jahr viel mehr beim „Reclaim The Beats“ mitmachen kann, es war so gut.
Diskografie Be Steadwell
2015 Queer Pop Mix Tape
2016 Jaded
2017 Breakup Songs