Vertonte Untiefen
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Konzert am 04. Mai 2017 im Musik und Frieden Berlin | Support: Magic Island
Text und Fotos: Corinna Sauer
Bei manchen Bands und fällt es deutlich schwerer Worte zu finden, als bei anderen. Naturgemäß trifft das auf die Art von Musiker_innen zu, die sich und ihrer Musik keine feste oder sagen wir lieber, keine unmittelbar erkennbare Form geben. Nicht, dass das etwas Schlechtes wäre. Im Gegenteil – Musik wird ja nun (in den allermeisten Fällen zumindest) von Menschen gemacht. Von komplexen Wesen also, die im Idealfall etwas schaffen, unabhängig von Erwartungen des Publikums oder der Plattenindustrie, das ein Stück der Vielschichtigkeit und auch Undefinierbarkeit des eigenen Seins wiederspiegelt. Diesen Eindruck vermittelt das Schaffen des kalifornischen Musik-Projektes Xiu Xiu, die ich am 4. Mai 2017 im Berliner Musik und Frieden live auf der Bühne erlebt habe.
Zugegebenermaßen kannte ich Xiu Xiu zuvor nicht, ahnte aber auf Grund verschiedener Reaktionen von Freund_innen, denen ich vom bevorstehenden Konzertbesuch erzählt habe, dass das ein Live-Erlebnis der etwas anderen Art werden würde. Ich entschied mich bewusst dazu, mich im Vorfeld nicht mit der Musik auseinanderzusetzen und mich überraschen zu lassen.
Das Konzert war völlig ausverkauft und das Musik und Frieden bis auf den letzten Quadratmeter mit Menschen gefüllt. Jamie Stewart, kreativer Kopf und Herz von Xiu Xiu, betrat zusammen mit Drummerin Shayna Dunkelman die Bühne. Der erste Song „Petite“ gleich eine melancholische Offenbarung. Leise, wehmütig, getragen von Stewarts in erstaunlichen Höhen changierender Stimme, setzte den Maßstab für ein Konzerterlebnis, das sich tief unter der Oberfläche künstlich emotionalisierter Populärmusik bewegen würde.
Dass Xiu Xius vertonte Untiefen nicht nur von leiser Natur sind, wurde bei Songs wie „I Luv Abortion“ deutlich. Verzerrte Synthesizer und treibende Drums schufen eine explosive Mischung aus Post Punk und experimentellem Rock, zu der sich Jamie Stewart wie ein entfesselter Derwisch schwitzend und von dunklem Wahn getrieben über die Bühne bewegte. Die Energie, die von der Bühne ausging, war so unmittelbar und greifbar, das sie wie Wellen über das Publikum hinweg wogte, nicht nur berührte, sondern mit sich riss. Ohne Kompromisse, ohne Rücksicht, frei von Erwartungen und ungeschönt. Und das meine ich im besten aller Sinne.
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Diskografie
2002 Knife Play
2003 A Promise
2004 Fabulous Muscles
2005 La Forêt
2006 The Air Force
2008 Women as Lovers
2010 Dear God, I Hate Myself
2012 Always
2013 Nina
2014 Angel Guts: Red Classroom
2014 Unclouded Sky
2016 Plays the Music of Twin Peaks
2017 FORGET