Chick Corea am 28. Aril 2018 live in der Apostel-Paulus-Kirche Berlin
Text und Fotos: Yvonne Hartmann
Back to church! Nach dem Abstecher in die Justice Church im vergangenen Oktober ging es diesmal jedoch in eine richtige Kirche, mit richtig unbequemen Holzbänken und richtig irritierenden christlichen Statuen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Chick Corea wegen seiner Verbindung zu Scientology schon Anfang der 90er Jahre in Deutschland in schärfster Kritik stand. Aber, frei nach Jimmy Hendrix’ Motto „Music is my religion!“, wollen wir uns hier auf das musikalische beschränken.
Bei meiner Ankunft war die Kirche wahrscheinlich schon voller besetzt als an so manchen Sonntagen, mit einem gemischten Publikum zwischen ca. 12 und 70 Jahren, darunter (wie sich später herausstellen sollte) auch einige Pianist_innen.
Anstelle des Altars war ein schwarzer Yamaha Flügel platziert, der auf seinen Meister wartete. Um Punkt 20 Uhr betrat Jazzlegende Chick Corea die Bühne. Mit seiner lockeren, charmanten Art wickelte er das Publikum sofort in einen roten Faden ein, der sich durch das ganze Konzert ziehen sollte. Uns erwartete ein mehrteiliges, publikumsnahes Set, gespickt mit Anekdoten aus seiner Kindheit sowie Erinnerungen an Fusionen mit bereits verstorbenen Kollegen und Kolleginnen wie Paco de Lucia.
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1. Akt: Der Entertainer
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Schnell wurde klar, der 76-jährige Pianist kam nicht, um seine Klassiker runterzuspielen. Er kam, um seine Fans und nicht zuletzt sich selbst zu unterhalten. Zum Aufwärmen ließ er die Finger zu seiner eigenen Interpretation von Stücken wie Bill Evans’ „Waltz for Debby“ oder Antonio Carlo’s Jobim’s „Desafinado“ über die Tasten fliegen.
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2. Akt: Das Spiel
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Für seine Experimentierfreudigkeit ist er seit jeher bekannt und die lebt Corea auch während seiner Liveauftritte aus. Nacheinander wurden nun drei mitmachlustige Fans auf die Bühne geholt, die er mit improvisierten Passagen „musikalisch porträtierte“. Ein Spiel, dass er nach eigener Aussage in seiner Kindheit oft mit seinen Geschwistern gespielt hat.
Beim nächsten Streich bekamen klavierspielende Konzertbesucher_innen die einmalige Chance mit der Legende zusammen im Duett zu spielen. Um den Unterhaltungsgrad aufrecht zu erhalten, wurde natürlich auch hier improvisiert anstatt sich auf ein bestimmtes Stück zu konzentrieren.
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3. Akt: Der Chor
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Für den krönenden Abschluss teilte Chick Korea nicht das Brot, sondern das Publikum – nämlich klassisch in die fünf Gruppen Sopran, Alt, Tenor, Bariton, Bass. Und auf dem Klavier begleitet hallten auf sein Zeichen rund 400 Stimmen im Chor durch den neogotischen Backsteinbau der Apostel-Paulus-Kirche.
Definitiv ein unterhaltsames Konzerterlebnis der anderen Art, bei dem sowohl Zuschauer_innen als auch der Künstler selber auf ihre Kosten kamen. Am 07. Juli 2018 ist Chick im Prinzenregententheater in München zu Gast.