Text und Fotos: Angela Beyer
Konzert am 14.03.2019 in der Mercedes-Benz Arena Berlin | Support: Young Fathers
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Das Warten hat ein Ende.
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Wir haben es an die größten Glocken dieser Erde gehängt: wir sind Florence-Anhängerinnen. Über ein halbes Jahr fieberten wir, damit meine ich mich und Bloggerkollegin Rike, auf diesen Tag hin. Nachdem im Juni vergangenen Jahres Florence Welchs viertes Studioalbum „High As Hope“ erschienen ist und relativ zeitgleich die Tour angekündigt wurde, zappelten wir den Sommer über voller Vorfreude dem Konzert entgegen. Obwohl mir das neue Werk nicht so gut gefällt wie der Vorgänger „How Big, How Blue, How Beautiful“ sollte die Stimmung nicht getrübt werden. Schließlich ist Florence immer einen Konzertbesuch wert. Das zeigte sich 2015 im Velodrom, wo wir uns gegenseitig die Taschentücher reichen mussten.
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Es regnet.
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Ich hatte Glück, denn ich musste mich dem Run auf die Tickets nicht aussetzen. Man spendierte mir einen Presseplatz. Das hat bei so großen Konzerten immer Vor- und Nachteile. Klarer Vorteil: man spart Geld. Besonderer Vorteil an diesem Abend: man spart Zeit, denn man muss sich nicht in die Schlange stellen, es gab einen extra Presseeingang, wow. Das war neu für mich. Bester Vorteil: man wurde nicht so nass wie alle anderen, die in der Schlange standen, um dann nochmal von vorn (zeitlich gesehen) in der Schlange zu stehen (sorry, Rike), weil die Tasche nicht im (Betonung) Gebäude, sondern vor (Betonung) dem Gebäude im Container abgegeben werden musste, was vielen nicht klar war. Nachteil: man hat keinen Einfluss auf den Platz und kann unter Umstände nicht mit seiner Crew abhängen.
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Support: Young Fathers. Naja.
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Somit war ich ganz schnell in der Mercedes-Benz Arena, wo bereits Young Fathers auf der Bühne standen und für Stimmung sorgten. Meinen Geschmack treffen Florence Support-Acts bisher ganz und gar nicht. Ich fand ja damals schon Palma Violets einen Griff ins Klo, Young Fathers waren erträglicher, aber richtig passend als Support? Nein. Vielen hat´s jedoch gefallen, meine Meinung ist ja nur eine von tausenden.
Young Fathers sind drei junge Burschen, die eine Mischung aus Hip Hop und Pop machen. Einer steht an den Trommeln, zwei zappeln, rappe(l)n und singen. Irgendwie klang jeder Song gleich. Aber nichts anderes hatte ich erwartet, da ich mir das letzte Album „Cocoa Sugar“ (2018) vorher anhörte.
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Los geht´s.
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Dann endlich – Pause. Umbau. Florence-Zeit. Die Bühne war wie immer sehr stilvoll gestaltet: es gab zwei stufenartige Plattformen aus Holz, wo insgesamt acht Musikerinnen Platz fanden. Vier zur Linken, vier zur Rechten. Die Stufen nutzte Frau Welch natürlich, um von ihnen herunterzuspringen, war ja klar. Und nun dürft ihr ein Mal (aber nur 1x!) raten, welche Schuhe sie trug! Keine, ganz genau. Dass sie den Flummi-Move genauso gut beherrscht wie den Brummkreisel ist auch nichts Neues, oder? Und dass Sie eine Wahnsinnsröhre hat und uns (zumindest mir) die Haare nach dem ersten Ton zu Berge standen, das ist auch allen klar, ja?! Ebenso klar ist, dass sie wie immer feenhaft gedressed war.
Ich hatte riesiges Glück mit meinen Sitznachbarn, denn die waren so emotional aufgeladen, dass mir fast der Atem stockte. Achso, ich sollte erwähnen, dass mich tatsächlich der Nachteil „nicht mit der Crew abhängen“ erwischte. Ich hatte einen Sitzplatz, von dem ich Rike und Begleitung wunderbar beim Biertrinken beobachten konnte. Zurück zum Thema. Der Herr rechts von mir war wie ein Eisblock. Ihm muss so kalt gewesen sein, dass er nicht mal die Hände zum Klatschen zusammenführen konnte. Der Herr links von mir machte sich sehr breit, was soll ich sagen. Leute, wenn es eh schon beengend ist, bekommt doch mal die Beine zusammen. Von daher war ich sehr froh, als Florence nach dem zweiten oder dritten Lied fragte, ob wir tanzen wollen. Wir könnten dann ja alle mal auuuuuf-steeeeeh-eeeeen. Schwupp, ich war die Erste, die stand (nach denen, die eh schon die ganze Zeit im Innenraum standen). Das war meine Erlösung.
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Dankbare und bescheidene Florence
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Insgesamt spielte sie eine bunte Mischung aus neuen, alten und sehr alten Songs. Klassiker wie „Dog Days Are Over“ oder „Shake It Out“ durften genausowenig fehlen wie neuere Songs, u.a. vom aktuellen Album. „Big God“, „Moderation“, „Hunger“ oder „Patricia“ fügten sich perfekt in die gesamte Songauswahl. Sie weiß, dass gerade die Klassiker Lieder sind, die ihr die ersten Erfolge brachten und das zeigt sie den Fans. Sie spricht es auch aus, denn für sie ist es keine Selbstverständlichkeit, dort oben auf der Bühne zu stehen. Natürlich wurde zwischendurch wieder ganz viel Fanliebe ausgetauscht, Florence war mächtig auf Kuschelkurs, was ihr die erste Reihe dankte.
Frau Welch ist schüchtern, ihre Sprechstimme passt so gar nicht zu dem, was man von ihr als Performerin auf der Bühne kennt. Beim Singen und Tanzen sei sie ein anderer Mensch, der ihr auf der Bühne mehr gefällt.
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Höriges Publikum.
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Florence verlangte von uns zwischendurch fast Unmögliches. Fallt jetzt nicht vom Hocker, wir sollten alle unsere Telefone wegstecken. Könnt ihr das glauben? Und wenn wir jemanden mit Telefon sehen, sollten wir dem/derjenigen doch freundlich auf die Schulter klopfen und sagen „Would you mind putting your phone away?“ Oder, um es auf die britische Art zu sagen: „Put your fucking phone away!“ Lacher.
Die meisten kamen ihrem Wunsch nach. Wir waren mitten im „Dog Days Are Over-Fieber“. Sie hüpfte wie ein Flummi über die Bühne und forderte das Publikum auf, es ihr gleich zu tun, was natürlich die meisten taten. Abgesehen von Breitbein und Eisklotz neben mir. Ich bin nun auch nicht so die Hüpf-Begeisterte, aber immerhin tanzte ich von einem Bein auf´s andere und war von den Massen im Innenbereich beeindruckt, die allesamt hüpften. Natürlich gab es wieder ein, zwei Spezialist_innen, die ihr Telefon nicht mal stecken lassen konnten. Eine Reihe über mir filmte das Publikum, auch mich (an dieser Stelle: schöne Grüße, ich hätte dir einen Vogel zeigen sollen). Von Rike hörte ich, dass eine Frau eine andere fragte, ob sie das Telefon nicht bitte wegpacken könnte. Sie erntete den Stinkefinger.
Sie machte ein indirektes Statement zum Brexit, den sie verständlicherweise ziemlich scheiße zu finden scheint. Schließlich sind wir alle Europäer_innen. Alles ist voller Liebe und so, wir sollten unsere Nachbar_innen doch einfach mal die Hand reichen (wogegen ich mich sowohl innerlich als auch äußerlich sperrte) oder uns umarmen. Oder uns sagen, wie sehr wir uns lieben. Florence ist und bleibt barfüßiger Hippie und gibt nicht auf, ihre Liebesbotschaften in die Welt zu posaunen, hach. Später durften wir dann alle unsere Telefone wieder rausholen, um einen künstlichen Sternenhimmel zu erzeugen. Das hat ganz gut geklappt und für einen Moment war ich verblüfft, wie viele Menschen ein Handy besitzen. Spaß. Mittlerweile besitzt ja fast jede_r ein Fon. Beeindruckend waren die vielen Lichter dennoch.
Fazit: Wenn Florence sagt: tanzt! Tanzen alle. Wenn sie sagt hüpft! Hüpfen alle. Wenn sie sagt Klappe! Sind alle still. Sind wir wirklich bereit, ihr alles nachzumachen? Ich habe meinen Grenzen!
Danke Florence (and the Machine), du bist und bleibst unsere Königin.
Setlist Florence and the Machine Berlin, Mercedes-Benz Arena
June
Hunger
Between Two Lungs
Only If for a Night
Queen of Peace
South London Forever
Patricia
Dog Days Are Over
Ship to Wreck
Moderation
Sky Full Of Song
Cosmic Love
100 Years
Delilah
What Kind of Man
Zugabe
Big God
Shake It Out